Eklat beim Neujahrsempfang: Mit Florett und Holzhammer
UPDATE. Eine Gruppe Linksalternativer hat beim Neujahrsempfang für einen Eklat gesorgt. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD)eröffnete offiziell das Friedrich-Jahr.
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Potsdam - So hatte sich Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) die viel gepriesene Bürgerbeteiligung sicher nicht vorgestellt: Kaum hatte er am Freitagmittag vor mehr als 600 Gästen im Nikolaisaal seine Neujahrsansprache beendet, betraten hinter ihm drei Linksalternative durch einen Seiteneingang die Bühne. Auf einem Protestplakat forderten sie günstigen Wohnraum statt steigender Mieten, einer der jungen Männer verlas per Megafon eine Erklärung. Jakobs verfolgte die Szene zunächst regungslos, Sicherheitskräfte ließen sich nicht blicken. Erst als das Publikum begann, die Protestierenden auszubuhen, Pfiffe und „Aufhören, aufhören“-Rufe ertönten, drängten Jakobs und Verwaltungsmitarbeiter die Linksalternativen, die am Abend zuvor bereits den Neujahrsempfang der Potsdamer Wohnungsunternehmen auf gleiche Weise gestürmt hatten, von der Bühne.
Der Eklat allerdings brachte den Neujahrsempfang kaum aus dem Takt, weiteren Protest gab es nicht, alles blieb friedlich. Oberbürgermeister Jakobs nannte das Anliegen der Protestler „in Ordnung“. Eine Diskussion über die Situation auf dem aufgrund steter Zuzüge angespannten Potsdamer Wohnungsmarkt sei „dringend notwendig“. Es werde einen „Bürgerdialog“ geben, um die „komplexen Probleme“ zu erklären, so Jakobs. Der Wunsch nach preiswertem Wohnraum könne nicht isoliert betrachtet werden – weitere Faktoren seien beispielsweise das Potsdamer Klimakonzept und der demographische Wandel.
Der linksalternative Arbeitskreis „Recht auf Stadt“, der sich später zur Protestaktion bekannte, hatte nach Weihnachten zunächst ein Haus in der Stiftstraße besetzt. Es folgten eine Demonstration in der Innenstadt und nun die öffentlichkeitswirksamen Protestaktionen. Es handele sich um eine „zunehmend politisierte Situation“, sagte Jakobs. Er schloss nicht aus, dass diese sich weiter verschärfen könnte: „Das hängt davon ab, wie wir damit umgehen.“
Viel Hoffnung auf Unterstützung des Landes bei der Lösung des Potsdamer Wohnungsmarkt-Problems darf Jakobs sich aber offensichtlich nicht machen. So forderte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) in seinem Grußwort die Stadt auf, die Schwierigkeiten „aus eigener Kraft“ zu meistern und „neue Wege“ zu gehen. Die Landeshauptstadt sei „keine Stadt ohne Sorgen“, aber sie habe wesentlich weniger Probleme als andere Städte im Land. Jakobs hatte die Landesregierung in den vergangenen Monaten immer wieder aufgefordert, sozialen Wohnungsbau in Potsdam zu fördern und darauf gedrungen, dass das Land die kreisfreien Städte mit mehr Geld ausstattet. Potsdam brauche dies für Investitionen in die Infrastruktur der wachsenden Stadt. In seiner Ansprache sagte Jakobs, das Wachstum gebe „uns im Alltag den Takt vor“. Er wolle aber nicht nur reagieren, sondern die Zukunft der Stadt städtebaulich, wohnungs- und sozialpolitisch gestalten.
Erneut kündigte Jakobs ein „Handlunsgprogramm“ für die Bürgerbeteiligung an. Es hätten „nicht unerhebliche Teile der gesellschaftlichen Mitte beschlossen“, ihre Anliegen nicht mehr an gewählte Vertreter zu delegieren, sondern sie in die eigenen Hände zu nehmen. Sie müssten eingebunden werden. Jakobs stellte jedoch klar, dass die Stadtverordnetenversammlung weiter die endgültigen Entscheidungen treffe – auch in der Schwimmbad-Frage. Bisher hatte Jakobs betont, das Ergebnis der für März geplanten Bürgerbefragung zum Schwimmbad sei für ihn „eine Handlungsanweisung“. Platzeck unterstützte Jakobs’ Kurs: Aus „Wutbürgern Mutbürger zu machen“ und die Politik transparent zu gestalten, dies seien „die großen politischen Herausforderungen unserer Zeit“, so der Ministerpräsident.
Jakobs räumte in seiner Ansprache erstmals öffentlich ein, dass Potsdam mit der Affäre um die Stadtwerke im vergangenen Jahr eine „handfeste Krise überstehen musste“. Er lobte jedoch die Aufarbeitung und kritisierte die Medien dafür, durch ihre teils überzogene Berichterstattung hätten sie „langfristig schweren Schaden verursacht“.
Mit dem Neujahrsempfang wurde auch offiziell das Themenjahr der Stadt zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen eröffnet. Dazu sprach Jens Bisky, Autor des Buches „Unser König. Friedrich der Große und seine Zeit“. Er forderte in seiner sehr pointierten, unterhaltsamen Rede, das Friedrich-Jahr solle für eine „Verfeinerung der Urteile und eine Entkrampfung der Diskussion“ genutzt werden. Verbale Auseinandersetzungen, wünschte sich Bisky, sollten lieber mit dem Florett geführt werden, statt mit dem Holzhammer – oder dem Megafon.
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