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Der Neue. Christian Schirmer leitet Potsdams stationäres Hospiz.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Mit hörendem Herzen

Am 16. April eröffnet Potsdams stationäres Hospiz. Erster Leiter der Einrichtung ist Christian Schirmer

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Für andere wäre es der Traumberuf gewesen, für Christian Schirmer nur zweite Wahl: Eine Lehre zum Uhrmacher hat er in den 1970er Jahren in Cottbus begonnen, dann sogar die Meisterprüfung abgelegt. Aber sein Herz schlug nicht für die komplexe Mechanik der Zeitmessung. Sondern dafür, wie man aus der Zeit, die einem Menschen gegeben ist, das beste machen kann. Jahre später erst sollte Schirmer doch noch seinen Wunschberuf ergreifen: Als Krankenpfleger baute er am Cottbuser Carl-Thiem-Klinikum die Palliativstation für sterbende Patienten mit auf und war dort pflegerischer Leiter. Seit Anfang April nun arbeitet der 50-Jährige in Potsdam, auf der Halbinsel Hermannswerder. Schirmer ist der Leiter des neuen stationären Hospizes, das dort am 16. April eröffnet wird.

Auf der Insel kennt man den Neuen schon: Im Altenpflegeheim der Hoffbauerstiftung wird er freundlich begrüßt und bekommt umstandslos einen Tisch für das Gespräch mit den PNN angeboten. Denn im Hospiz selbst, einem eingeschossigen Neubau mit Blick auf die Havel, sind die Handwerker noch zugange. Getragen wird die Einrichtung von einer gemeinsamen Gesellschaft der Hoffbauerstiftung und des Evangelischen Diakonissenhauses Berlin Teltow Lehnin.

In wenigen Tagen sollen die ersten Bewohner einziehen: Sterbende Menschen, die hier ihre letzten Tage verleben können. Im Hospiz sollen sie keine Patienten sein, sondern Gäste. Darauf legt Christian Schirmer wert. „Es wird hier nicht den typischen Krankenhausablauf geben“, versichert er. Das kann die Essenswünsche betreffen, oder wann und wie ein Gast gewaschen wird. Aber auch scheinbare Äußerlichkeiten: So werden Schirmer und seine Mitarbeiter – ein Team von zehn Männern und Frauen – keine einheitliche Arbeitskleidung tragen. Jeder darf anziehen, was er möchte: weiß ist keine Pflicht, die Kleidung muss aber kochwäschetauglich sein. „Wir wollen nicht an Tod und Sterben erinnern, sondern an das Leben“, sagt Schirmer.

Er selbst sei schon im Jugendalter mit Pflege in Berührung gekommen, erzählt er. Da war die Großmutter, die an Krebs erkrankte und die er mit in den Tod begleitete. Aufgewachsen ist Christian Schirmer in einem katholischen Elternhaus, der Kirchenbesuch am Sonntag gehörte einfach dazu. Schon bald engagierte sich der Jugendliche auch im Altersheim, das von den Ordensschwestern getragen wurde. „Ich habe Nachmittage mitgestaltet, beim Einkaufen geholfen, Kohlen getragen – da warst du schnell eingebunden“, erzählt der Cottbuser. Von einer Ausbildung im sozialen Bereich riet man ihm aber ab: Als Mann habe er da ohnehin keine Chance, hieß es.

Schirmer wurde Uhrmacher. „Das hat mir zwar Spaß gemacht, aber ich wusste: Das bin ich nicht“, erinnert er sich. Jahrelang jobbt er nach Feierabend und an den Wochenenden als Hilfspfleger im Krankenhaus. Erst mit der Wende kommt die Chance für den beruflichen Neuanfang: Viele Cottbuser verlassen die Stadt und Pflegekräfte sind plötzlich gesucht. Christian Schirmer absolviert die dreijährige Ausbildung zum Krankenpfleger, baut neben der Arbeit ab 1995 auch den ambulanten Hospizdienst in Cottbus mit auf.

„Man hat die Verantwortung, sich einzubringen“, davon ist der dreifache Vater überzeugt. Wenn es um den würdevollen Umgang mit Kranken und Sterbenden geht, sei oft von den Defiziten der Gesellschaft die Rede: „Aber wir sind ja die Gesellschaft“, hält Schirmer dagegen. Nach einer Weiterbildung in der Palliativpflege baut er die Palliativstation des Cottbuser Klinikums mit auf. Er wird pflegerischer Leiter der Station, engagiert sich zudem viele Jahre als Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Hospiz Brandenburg.

Nun also Potsdam. „Ich freue mich darauf“, sagt Christian Schirmer. Auf Hermannswerder wird er ein Dienstzimmer beziehen – die Familie bleibt auf dem Bauernhof in der Nähe von Cottbus, wo auch Katzen und Hühner leben, und wo Christian Schirmer in seiner Freizeit zum Beispiel gerne gärtnert. „Wir sind keine reinen Ökos“, stellt er lachend klar. Auch Töpfern und Singen zählt der Hospiz-Leiter zu seinen Hobbys.

Die Hospizarbeit beschreibt er mit einer Formulierung, die an die Erzählung „Der kleine Prinz“ angelehnt ist: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, heißt es da. Und Schirmer wünscht sich im Hospiz Mitarbeiter, die ein „hörendes Herz“ haben. „Es kommt darauf an, zu spüren, was die Gäste, aber auch Angehörige und andere Betreuer wünschen“, sagt er. Dass das ein hoher Anspruch ist, weiß er. Aber die Zusammenarbeit im Team und mit den ehrenamtlichen Sterbebegleitern vom Hospizdienst Potsdam werde sich entwickeln, ist der 50-Jährige überzeugt. „Ich glaube, Hermannswerder ist ein guter Ort dafür.“

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