Landeshauptstadt: Mit Motorrad oder Schleier
In Potsdam wird öfter geheiratet denn je / Geschichten aus dem Standesamt
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In Potsdam wird öfter geheiratet denn je / Geschichten aus dem Standesamt Sie kommen mit dem Motorrad, in Weiß, Schwarz oder Bunt, mit Zitaten im Kopf und Instrumenten unter dem Arm, aus Hamburg oder China, mit 18 oder 91, am liebsten Freitags und am liebsten um 12 Uhr, in einer Stretchlimousine oder in der Kutsche – um in Potsdam zu heiraten. Die Leiterin des Standesamtes Ulrike Wildner hat eine lange Liste mit Kuriositäten und Statistik mitgebracht, als sie am Freitagvormittag zur Pressekonferenz im Stadthaus erscheint. 711 Paare haben sich im Jahr 2003 den Ring an den Finger gesteckt, darunter sechs gleichgeschlechtliche Partner, berichtet sie. In 2004 erwartet das Amt einen ähnlichen Run auf die Ehe-Urkunde, im August und September, den traditionellen Heiratsmonaten, gehe es erst richtig los. 2002 hingegen war das noch anders. Da gaben sich nur 550 Paare das Ja-Wort. Nicht nur immer mehr Menschen entscheiden sich, in Potsdam zu heiraten, Auch wie sie heiraten, hat sich verändert, erzählt die Standesbeamtin. Vielmehr als früher werde der Anlass zelebriert, als ganz besonderer Tag im Leben. Neben den Worten des Standesamtes halten Schwiegerväter und -mütter, Verwandte, Freunde oder die Eheschließenden selbst kleine Ansprachen über Liebe, Beziehung und Ehe. Hin und wieder geben sich die Heiratenden vor den Augen der Hochzeitsgesellschaft ein ganz persönliches Eheversprechen, sie zitieren Selbstgedichtetes, aus der Bibel oder der Literatur. Bei der Hintergrundmusik hat das Paar die Wahl: Mozart, Andrea Bocelli, Lieder aus der gemeinsamen Vergangenheit. Sogar die Nationalhymne lassen Paare zum Untermalen des Ereignisses spielen. Hin und wieder wird Live-Musik aufgeführt, mit Klavier, Querflöte. Früher ging alles schneller, scherzt Ulrike Wildner, da sei aber auch nur 20 Minuten Zeit gewesen, um die Zeremonie zu gestalten. Heute steht erst nach einer Stunde das nächste Paar vor der Tür. Auch den Ort, an dem sich Mann und Frau das Ja-Wort geben, überlassen die „neuen“ Paare nicht mehr dem Zufall. Das bestätigt schon die Statistik: Rund 40 Prozent aller Eheschließenden wohnt nicht in Potsdam (in 50 Prozent der Fälle sind die Heiratenden beide aus der Landeshauptstadt, bei 10 Prozent lebt einer der Partner hier). Für Potsdam als Hochzeitsort haben sich schon Paare aus aller Welt entschieden. Bei einigen Hochzeiten seien sogar Dolmetscher dabei gewesen, die zwischen chinesischen und japanischen, bei einer anderen zwischen marokkanischen und moldawischen Familien der Heiratenden vermittelten. Von Kiel bis München habe es sich herumgesprochen, dass man in Potsdam im schönen Ambiente heiraten kann. Und das nicht nur in dem 2001 eröffneten himmelblau samtigen Hochzeitssaal des Stadthauses. Im Angebot sind außerdem das Krongut Bornstedt, in dem 2003 24 Prozent aller Ehen geschlossen wurden, und ein Schiff der Weissen Flotte, das allerdings in den letzten Jahren niemand in Anspruch nahm. Seit Mai 2004 kann auch im Maurischen Kabinett des Belvedere auf dem Pfingstberg geheiratet werden. Ein begehrter Ort, 20 Anmeldungen liegen dem Standesamt für die nächsten Monate vor. Für den schlichtesten aller Wege entscheiden sich nur zwei bis fünf Prozent der Bewerber, meist Ältere oder zum Zweiten Mal Heiratende. „Zusammenschreiben“ nennt das Ulrike Wildner. Ohne Zeremonie, ohne Trauzeugen. Allein zu zweit. Marion Hartig
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