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Flüchtlingsprojekt im „Kreml“ feiert Geburtstag: Mit Musik das Lachen zurückgeholt

Das Herzstück auf der Bühne ist Mahmood. Der 28-Jährige aus Afghanistan gibt auf zwei Tablas – Handtrommeln – den Rhythmus vor, dem rund 15 Kinder auf Geigen, Gitarren und Celli folgen.

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Das Herzstück auf der Bühne ist Mahmood. Der 28-Jährige aus Afghanistan gibt auf zwei Tablas – Handtrommeln – den Rhythmus vor, dem rund 15 Kinder auf Geigen, Gitarren und Celli folgen. Konzentriert folgt ihr Blick der Musiklehrerin Marie Kogge, die am Samstag vor der großen Bühne im Plenarsaal des ehemaligen Landtags auf dem Brauhausberg hin und her läuft. Lautstark gibt sie Orientierung für die Noten, Anweisungen wie „Und jetzt kommt die Katze!“ bringen die rund 50 Zuschauer zum Schmunzeln. Diese sind jedoch nicht zu einem Konzert eines Kinder-Ensembles gekommen – gefeiert wird ein besonderer Geburtstag. „Wir werden heute ein Jahr alt“, ruft Kogge, „und wir möchten uns bei allen Unterstützern bedanken!“

Das „Wir“, das sind zirka 30 Flüchtlingskinder, die Instrumentalunterricht im ehemaligen Landtag erhalten, und ihre Unterstützer sowie Familien sitzen im Publikum. Der Unterricht findet im Rahmen des Vereins MitMachMusik statt, in dem etwa 100 Flüchtlingskindern kostenlos das Spielen von Geige und Co. beigebracht wird. In Kooperation mit dem Arbeiter-Samariter-Bund wird in Zehlendorf und Friedenau unterrichtet, in Potsdam in Zusammenarbeit mit der Arbeiterwohlfahrt auf dem Brauhausberg, wo schon vor der Gründung des Vereins im April 2016 Flüchtlingskinder unterrichtet wurden. Marie Kogge, eigentlich Lehrerin an der Waldorfschule Potsdam, ist treibende Kraft vor Ort, unterstützt wird sie unter anderem von den Brüdern Alaa und Meyar Abboud aus Syrien, die seit ihrer Kindheit klassische Instrumente spielen. Gelernt werden deutsche, syrische und afghanische Lieder, aber auch eigene Kompositionen.

Wie es zur Gründung von MitMachMusik kam, erzählt Schatzmeister Peter Kuttner: „Silvester 2014 fasste ich mit Freunden gute Vorsätze. Dazu gehörte, ein Zeichen gegen Rechtspopulismus in Deutschland zu setzen.“ Heraus kam jedoch zunächst die Gründung des Berliner Vereins Flüchtlingspaten Syrien, der durch Krieg getrennte Familien in Deutschland zusammenführt. Erst später in 2015 hätten der 75-Jährige und weitere Ehrenamtler beschlossen, etwas für die Integration von Flüchtlingen in Deutschland zu tun. Musik als universelle Sprache, über die ein gegenseitiges Kennenlernen erleichtert werde, habe sich dabei angeboten.

Während von Anfang an ehrenamtliche Musiklehrer dabei waren, sei das Beschaffen von Instrumenten nicht so leicht gewesen, erinnert sich Kuttner. Gebraucht würden vor allem Kinderinstrumente, und diese seien nicht so leicht zu bekommen. Dennoch könnten dank Sach- und Geldspenden die Kinder heute musizieren. Und auch die erfolgreiche Wirkung der Musik auf die oftmals traumatisierten Sechs- bis Zwölfjährigen sei ein Grund zum Feiern. „Eine Mutter fragte mich, was wir mit ihrem Kind gemacht hätten – es hätte zwei Jahre lang seit ihrer Flucht nicht mehr gelacht, jetzt aber sei es wieder fröhlich“, erzählt Kuttner. Wer am Samstag den Kindern im Plenarsaal zusah, der weiß sofort, was gemeint ist: Die fröhliche Unbeschwertheit steckte auch das Publikum sofort an.

Um diese Lebensfreude bei den Kindern noch stärker fördern zu können, wünsche sich der Verein weiter Spenden und ehrenamtliche Unterstützung, so Kuttner. Und dass ihnen ihr Herzstück auf der Bühne erhalten bleibe: Trommler Mahmood habe nämlich einen Abschiebebescheid erhalten und soll zurück nach Afghanistan, und das, obwohl sein Vater dort von den Taliban ermordet worden sei. Doch Kuttner hat Hoffnung: „Wir kämpfen für ihn.“ Andrea Lütkewitz

Andrea Lütkewitz

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