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Von Jana Haase: Mit Philipp Lahm und Peter Fox in der Jury
Praxissemester der anderen Art: Studenten der Fachhochschule reisten in den Karibikstaat Belize und organisierten einen Musikwettbewerb zur Aidsaufklärung
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Auch wenn das Thema lebenswichtig ist: Aids-Aufklärung hat nicht unbedingt das Zeug zum Publikumsrenner. Ein lässiger Reggae-Song dagegen schon. Oder eine korrekte HipHop-Ansage. Eine bewegende Singer-Songwriter-Ballade. Warum nicht gleich ein ganzes Musikfestival? Studenten der Potsdamer Fachhochschule (FH) haben diese Idee verwirklicht, aber nicht in Deutschland, sondern im Karibikstaat Belize: In dem von der unheilbaren Immunschwächekrankheit besonders betroffenen Land organisierten sie einen Musikwettbewerb mit abschließendem Festival und einer CD-Pressung der 16 Siegersongs.
„Safe and Sound“ haben Sebastian Völker, Moritz Mayer und Stephan Güthoff ihr Projekt genannt, und in diesem englischen Equivalent für das deutsche „gesund und munter“ klingen die zwei Hauptanliegen mit an: Es geht um Schutz vor dem HI-Virus - und um gute Musik. Wer an dem von den Studenten ausgelobten Wettbewerb teilnehmen wollte, musste einen Song schreiben, der sich mit Aids befasst. Bewertet wurden die Einsendungen von einer internationalen Jury, der unter anderem Fußballnationalspieler Philipp Lahm und Seeed-Frontmann Pierre Baigorry alias Peter Fox angehörten.
Die erste Idee dazu entstand Mitte 2008, erzählt Stephan Güthoff, der sich neben seinem Job als Sozialarbeiter seit Jahren ehrenamtlich im HIV-Projekt Belize e.V. engagiert - der Vereinsgründer, der Potsdamer Infektiologe Dr. Wolfgang Güthoff, ist sein Vater. Konkrete Umrisse nahm das Vorhaben an, als Sebastian Völker und Moritz Mayer als angehende Kulturarbeiter ihr Praxissemester planten. Mit wenig mehr als einem groben Konzept und sechs Monaten Zeit stürzten sich die drei im Sommer 2009 in die Arbeit.
Aber vor der Reise nach Belize stand der Gang durch die Institutionen: Mit ihrem Finanzplan bewarben sich die Potsdamer um Fördergelder, beim Bundesentwicklungsministerium, beim Auswärtigen Amt, bei Aidshilfe-Organisationen, Stiftungen. Sie kassierten nur Absagen. Dass die benötigten 35 000 Euro zusammenkommen, wurde immer unwahrscheinlicher. „Das ganze Projekt war in der Schwebe“, erzählt Völker.
Rettung brachte ein spendabler Jubilar aus Stahnsdorf. Zu seinem 50. Geburtstag verzichtete der Chef der Tiefbaufirma TRP auf Geschenke und bat stattdessen um Geld für das Musikprojekt. „An diesem Abend sind etwas mehr als 4000 Euro zusammengekommen“, berichtet Stephan Güthoff: „Damit konnten wir anfangen.“
Noch im Oktober fliegen Sebastian Völker und Moritz Mayer auf eigene Kosten nach Belize und kommen dort im Haus des HIV-Projekt Belize e.V. in der 12 000-Einwohnerstadt Dangriga unter. Stephan Güthoff hält in Deutschland die Stellung, betreut die Webseite, kümmert sich weiter um Spenden und die Jury.
Nachdem die drei Idealisten die belizianische Musiker-Legende Pen Cayetano als Schirmherr gewinnen konnten, nimmt das Projekt an Fahrt auf. „Er war unsere Eintrittskarte in alle Fernseh- und Radiostudios“, erzählt Sebastian Völker. In wenigen Wochen sei es so gelungen, die Wettbewerbsidee im ganzen Land - Belize ist etwa so groß wie Hessen - bekannt zu machen.
Aber trotz tropischer Temperaturen folgt schon bald wieder eine Zitterpartie: Denn nach der ersten Einsendung im Dezember meldet sich wochenlang kein Künstler, stattdessen aber die Zweifel bei den Projektleitern: „Der Zeitplan war verdammt knapp, Geld fehlte immer noch“, erzählt Sebastian Völker: „Und wir haben uns gefragt, was machen wir eigentlich, wenn wir am Ende nur vier Songs haben?“ Erst in den letzten Tagen vor Einsendeschluss am 31. Januar regnet es Tapes und CDs. „Wir waren überglücklich“, erinnert sich Völker.
43 belizianische Musiker beteiligten sich - allein das sieht der 26-Jährige schon als Erfolg für die Sache. Denn Musiker sind immer auch Meinungsbildner, erklärt er: „Die haben sich alle mit dem Thema Aids befasst und wenn sie irgendwann mal dazu befragt werden sollten, wissen sie auf jeden Fall mehr als vorher.“ Mitgemacht hätten sowohl belizianische Stars als auch Nachwuchsmusiker.
Für die 16 von der Jury ausgewählten Künstler ging es weiter zur Aufnahme in einem professionellen Tonstudio. Bis zur Abreise der Potsdamer im März entstand so eine CD, die in einer Auflage von 5000 Stück kostenlos verteilt wurde - unter anderem bei einem von den Studenten organisierten Musikfestival.
Zurück in Potsdam, arbeiten die drei derzeit an der Dokumentation des Projektes, das sie, wie Sebastian Völkel in der Rückschau einräumt, „etwas naiv“ in Angriff genommen hatten. Dennoch habe ihm die Zeit viel für das spätere Berufsleben gebracht, glaubt er: „In Belize wurde einiges an Theorien zum Projektmanagement über den Haufen geworfen.“
Auch „Safe and Sound“ soll weitergehen. Die Klickzahlen für die Songs im Internet steigen langsam und sollen mit einem Remix-Wettbewerb weiter erhöht werden, sagt Stephan Güthoff. Eine zweite CD-Pressung ist geplant. Und auch eine zweite Reise nach Belize. Sebastian Völker lächelt: „Das nächste Mal fahre ich aber als Urlauber hin.“
Die Musik zum Anhören im Internet: www.safeandsoundbelize.de
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