Landeshauptstadt: Mit Schweizer Dialekt
Fall Ermyas M.: Ermittler wussten von drittem Verdächtigen – verhört wurde er bislang nicht
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Hat die Potsdamer Staatsanwaltschaft durch schlampige Ermittlungen die Aufklärung im Fall Ermyas M. verschleppt? Fakt ist: Bereits am 31. Mai informierte der damalige Anwalt des Tatverdächtigen Björn L., Veikko Bartel, die Ermittler darüber, dass der Schweizer Marco Sch. behaupte, den Deutsch-Äthiopier in der Nacht zum Ostersonntag niedergeschlagen zu haben. So solle die Stimme auf dem Mailbox-Mitschnitt des Handygesprächs von Ermyas M., das als wichtiges Beweisstück gilt, von ihm stammen. Auf dem Mitschnitt wurde die zunächst verbale Auseinandersetzung zwischen Ermyas M. und den wahrscheinlichen Tätern festgehalten. Die Ermittler waren anfangs davon ausgegangen, dass es sich bei einer der Stimmen um eine Frau handele, ordneten diese Stimme jedoch später Björn L. zu, dessen Spitzname wegen seiner hohen Stimme „Piepsi“ ist.
Marco Sch. gibt an, ab dem dritten Lebensjahr bei einer Pflegefamilie in die Schweiz gelebt zu haben. Jedoch besuche er regelmäßig seine Geburtsstadt Potsdam und will auch das diesjährige Osterfest mit Ehefrau und zwei Freunden hier verbracht haben. In der Nacht zum Ostersonntag habe er nach einer Feier am S-Bahnhof Charlottenhof „mit einem Schwarzen Stress“ gehabt. Zugleich behauptet er, dass Ermyas M. ihn provoziert und in den Rücken getreten habe. Daraufhin habe er sich „umgedreht und zugeschlagen“.
Widersprüchliche Aussagen gibt es jedoch unter anderem zu der Frau, die in seiner Begleitung gewesen sein soll und die möglicherweise entscheidend dazu beitragen könnte, den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen festzustellen. Wie Bartel den PNN sagte, habe Sch. bei den Telefongesprächen erklärt, zwar den Namen der Frau zu wissen, nicht aber ihren Aufenthaltsort. Bartel wies auch darauf hin, dass Sch. „deutlich mit Schweizer Akzent“ gesprochen habe. Andererseits habe der Luzerner „klar strukturiert gesprochen und einen gebildeten Eindruck“ gemacht.
Benedikt Welfens, Sprecher der Staatsanwaltschaft, erklärte gestern, dass die von Bartel übermittelten Personalien von Sch. gestimmt hätten. „Über die Frau und die beiden Freunde hatten wir keine nähere Informationen erhalten. Der damalige Verteidiger half uns nicht weiter. Wir haben bei ihm mehrfach nachgefragt, er hat nicht reagiert.“
Matthias Schöneburg, der neue Verteidiger von Björn L.: „Nicht der Verteidiger, die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, den möglichen Zeugen zu vernehmen und allen möglichen belastenden und entlastenden Hinweisen nachzugehen.“ Fakt sei, dass ein möglicherweise wichtiger Zeuge bislang nicht vernommen wurde. Das soll kommende Woche durch Schweizer Staatsanwälte geschehen.
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