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Landeshauptstadt: Mit Speed im Rollstuhl durch den Volkspark

Beim Wettstreit „Iron Roll“ traten Behinderte gegen „Normalos“ an und kämpften um Meter und Sekunden

Stand:

„Iron Roll“ ist der passende Name für ein Rennen der Rollstuhlfahrer gegen Fußgänger, die sich dazu aber ebenfalls in einen Rollstuhl setzen müssen. Es an den Start zu bringen lag geradezu in der Luft. Die Idee von Lutz Lehmann, Café-Betreiber im Volkspark, und Alexander Wietschel vom Verein für Aufklärung und Bildung zündete jedenfalls sofort. Am „Iron Roll“ mit seinen Vorausscheiden beteiligten sich rund 300 Sportbegeisterte. Gestern gab es das Finale im Volkspark bei strahlendem Sonnenschein. Da schien es auch niemandem etwas auszumachen, dass das Startzeichen mit einiger Verspätung fiel. Ältester Teilnehmer war Wilhelm Lang (68) aus Berlin, die Jüngsten mit 16 Jahren kamen aus dem Oberlinhaus.

Udo Sist gehört mit 26 Jahren in die Mittelklasse und falls er nervös war vor dem Start, ließ er es sich nicht anmerken. Er ist von Kindheit an durch spastische Tetraparese gelähmt und sitzt seitdem im Rollstuhl. „Ich muss nicht mehr trainieren“, sagt er darauf anspielend, gibt dann aber doch zu, dass er fürs Rennen „geübt“ hat. Seine Bestzeit sind 16,9 Sekunden für 50 Meter. „Die meisten Teilnehmer haben sich angestrengt, unter 20 Sekunden zu bleiben“, sagt Lutz Lehmann. Aber das hätten nicht alle geschafft, betont Udo. Auch die Iron Rolls haben neben allem Spaß am Wettstreit eben ihren sportlichen Ehrgeiz.

Zusammen mit seinem Kumpel Gerald Behnke, der laufen kann und erst ein Gefühl für den Rollstuhl bekommen musste, geht Udo an den Start. Es treten immer Rollstuhlfahrer und Fußgänger gegeneinander an. Man bekomme eine völlig andere Sicht auf die Umgebung, wenn man alles nur sitzend erfährt und Schwierigkeiten bei jeder Stufe und anderen Unebenheiten habe, sagt Behnke. Doch Mitleid ist nicht gefragt, sondern Respekt wird gefordert. Den zollt auch Brandenburgs Sozialminister Günter Baaske, der das Iron Roll eröffnete und macht die Probe aus Exempel Er liefert sich mit Lehmann ein kleines Rennen außer Konkurrenz. „Gar nicht so einfach“, ist das Fazit von Baaske.

Am Start zeigt sich auch der Pro-Potsdam-Geschäftsführer Jörn Michael Westphal. Das kommunale Wohnungsunternehmen hat neben vielen anderen Mitwirkenden und Förderern das Rennen finanziell unterstützt. Barrierefreies Wohnen sei für die Pro Potsdam mindestens seit 2000 ein Thema und werde bei Wohnungssanierungen berücksichtigt, so Westphal. Am Hans-Marchwitza-Ring 1-2 seien sogar Rollstuhlaustauschräume eingebaut worden, da in den Wohnungen andere Fahrzeuge benutzt würden als auf der Straße. Udo Sist findet, dass Potsdam in seinem Bemühen um gute Bedingungen für Rollstuhlfahrer schon sichtbare Fortschritte gemacht habe. Es gebe aber immer noch Probleme mit Bordsteinen und vor allem dem Kopfsteinpflaster.

Der Endausscheid bei den Iron Roll ging im Volkspark über eine Zehntelmeile oder 165 Meter. Die Teilnehmer hatten sich bei den Vorausscheiden von 50 auf 100 und schließlich auf das Meilenmaß gesteigert. Den ersten Platz belegte Pamela Maraszek (30). Sie ist Bürokraft im Oberlinhaus und ließ alle Kontrahenten hinter sich. Zuletzt waren noch einmal die zehn besten Rollstuhlfahrer gegeneinander angetreten. Pamela gewann mit dem Streckenrekord von 41,18 Sekunden. Zusammen mit Udo und Gerald gründete sie Normalo TV. Man entschied sich bewusst für den Normalo-Namen, denn auch ein Rollstuhlfahrer zu sein, sei etwas ganz Normales. Die Gruppe will sich eine eigene Internet-Seite anschaffen und dort Videos präsentieren.

Wie groß das Interesse am Iron Roll ist, zeigt nicht nur die Teilnehmerzahl. Am Endausscheid nahmen statt der eingeplanten 25 mehr als 30 Sportler teil. Und der Wettkampf geht vermutlich weiter. Es liege schon eine Einladung aus New York vor, einen internationalen Städtewettkampf auszurichten. Auch andere deutsche Kommunen zeigen Interesse. Und die Rollstuhlfahrer wünschen unbedingt eine Fortsetzung des Iron Roll.

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