Homepage: Mit steigenden Ansprüchen
Endspurt: Filmstudenten der HFF stellen derzeit das Programm für das Filmfestival „Sehsüchte“ zusammen
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Als das Licht in dem kleinen Kino wieder angeht, bleibt es erst einmal still. Einige Filmstudenten der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) wischen sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel. Der bulgarische Kurzfilm hat sie sichtlich berührt. Auf Serbisch und in wunderschönen Schwarz-Weiß-Bildern erzählt er die Geschichte von einem kleinen Jungen, der von seinem Vater zum Turmspringen getriezt wird – so lange bis ein Unglück geschieht.
„Das war eindeutig ein A-Film“, sagt Katharina Bergfeld (24) spontan. Die anderen stimmen ihr zu. „Im Gesamturteil sind wir uns meistens schnell einig. Unterschiedliche Meinungen gibt es über Details: War die Violine zu laut? Hätte man die letzte Szene früher ausblenden sollen? Darüber diskutieren wir dann“, erzählt Katharina. Seit November sichten die Studenten der audiovisuellen Medienwissenschaften mehr als 1000 eingeschickte Spiel-, Dokumentar-, Animations- und Experimentalfilme aus aller Welt. Die 120 Besten sollen vom 25. April bis 30. April beim größten europäischen Studentenfilmfestival „Sehsüchte“ an der Potsdamer HFF gezeigt werden. Auf die Frage, ob man bei so geballten visuellen Eindrücken nicht irgendwann abstumpft, schütteln die angehenden Filmexperten die Köpfe. Aber die Ansprüche steigen, sagen sie.
Bei der Vorauswahl bekommt jeder Film eine Note: A,B oder C. „Am Anfang ist man noch viel nachgiebiger beim Beurteilen“, sagt Christian Frosch. „Doch je mehr man gesehen hat, desto höher hängt die Messlatte. Darum schauen wir uns am Ende die besten Streifen noch einmal an“, sagt der 27-Jährige. Jetzt, im Endspurt, müssen sie bis zu 30 Filme am Tag verdauen. Meist geht es um sehr ernste Themen, wie Krieg, Vertreibung oder Menschenrechtsverletzungen. „Das kann einem in so geballter Form schon auf den Magen schlagen“, erzählt Linda Brezinski. Komödien sind selten. „Sie gelten nicht umsonst als Königsdisziplin des Films“, weiß die 24-Jährige. Es gäbe kaum etwas schwierigeres, als richtig witzig und zugleich tiefgründig zu sein.
Einen besonderen Sinn für Komik stellen die HFF-Leute diesmal bei den deutschen Teilnehmer fest. Gut gefallen ihnen dabei die schnellen Schnitte und die schlagfertigen Dialoge. In einem deutschen Kurzfilm über einen gestressten Manager, vom Typ Schaumschläger, klagt ein Mitarbeiter darüber, dass die neu gelieferten Klettverschlüsse nicht richtig schließen. Der Manager sagt daraufhin nur lapidar: „Wenn etwas nicht richtig schließt, dann ist es auch kein richtiger Verschluss.“ Und alle tun so, als ob das keine Binsenweisheit, sondern die Erleuchtung schlechthin wäre.
Knapp die Hälfte aller Einsendungen kam aus Deutschland. Es gibt aber auch Beiträge aus China, den USA, Kanada und der Schweiz. „Respekt für ihre Arbeit verdienen die jungen Filmemacher alle“, sagt Christian diplomatisch. „Aber qualitativ gibt es schon große Unterschiede“. In diesem Jahr kamen gute Filme wieder einmal aus den skandinavischen Ländern, aber auch aus Südosteuropa. „Schade ist, dass wir kaum Arbeiten aus Afrika bekommen haben, höchstens aus Südafrika oder Filme von Europäern über Afrika“, sagt Christian. „In den zerrütteten Staaten fehlen wohl Know-How und die nötige Technik.“
Wenig überzeugend fanden die HFF-Studenten zur ihrer eigenen Überraschung die Beiträge aus Israel. Die israelischen Filmhochschulen sind technisch hervorragend ausgestattet und haben in den vergangenen Jahren in Potsdam oft gut abgeschnitten. „Letztlich beurteilen wir aber nur den fertigen Film und nicht die Umstände, unter denen er entstanden ist“, sagt Julian Berner (23). Er findet das wichtig, „um sich einen möglichst unverstellten Blick zu bewahren.“ Katharina Webersinke (26) fügt hinzu: „Für uns ist wichtig, ob die Geschichte spannend erzählt ist und ob Kamera, Licht, Ton und Schnitt harmonieren.“ Bei der konkreten Umsetzung ihrer Ideen sind die Filmemacher frei in ihren Entscheidungen. Einzige Teilnahmebedingung ist, dass die Filme von Studenten oder von Amateuren gedreht worden sind.
Am Ende des Festivals wird eine Fachjury, darunter bislang der Produzent Oliver Berben („Elementarteilchen“) und der Journalist Knut Elstermann (Radio Eins) aus den 120 A-Filmen noch einmal die besten auswählen. Mit insgesamt 40 000 Euro werden unter anderem das beste Drehbuch, der beste Spiel- und der beste Dokumentarfilm prämiert. Die ausgezeichneten Nachwuchsfilmer können mit den Preisgeldern dann neue, bewegende Geschichten auf die Leinwand bringen.
Juliane Schoenherr
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