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Aufklären und aufpassen. Menschen mit pädophilen Neigungen als Trainer oder Übungsleiter aus Sportvereinen herauszuhalten, dafür sind Führungszeugnisse und Kinderschutzbeauftragte eine Möglichkeit. Eine andere ist, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen.

© dpa

Sport: Mit wachem Blick

Eine Konferenz am Samstag in Berlin beschäftigt sich damit, wie sexualisierter Gewalt im Sport begegnet werden kann. Zwei der wichtigsten Empfehlungen sind selbst bei größeren Vereinen in Potsdam und Umgebung nicht immer Standard

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Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt im Sport ist das Thema der 1. Berlin-Brandenburgischen Regionalkonferenz, die am kommenden Samstag in der Bildungsstätte der Sportjugend Berlin stattfindet. Die Organisatoren – der Landessportbund Brandenburg und die Brandenburgische Sportjugend – wollen eine Kultur der Aufmerksamkeit schaffen und Verantwortliche in ihrem Handeln stärken.

Das ist zweifellos nötig, denn die Bilanz in Sachen Kinder- und Jugendschutz fällt zwiespältig aus. Bereits vor drei Jahren empfahl der Landessportbund (LSB) , sich von ehrenamtlichen Nachwuchs-Übungsleitern erweiterte Führungszeugnisse regelmäßig vorlegen zu lassen; für die Übungsleiter ist die Beantragung kostenlos. Vor zehn Tagen haben die LSB-Mitglieder, also Sportvereine und Verbände, diese Empfehlung auf ihrer Mitgliederversammlung in Lindow (Ostprignitz-Ruppin) wiederholt.

Erhebungen, wie viele Vereine dieser Empfehlung bisher schon folgten, gibt es nicht. Die Zahl liege aber „viel zu niedrig“, sagte Steffen Müller, Referent bei der brandenburgischen Sportjugend. Die Dachorganisation kann nur Empfehlungen abgeben. „Wir sind nicht Vorgesetzter der Vereine“, sagte Müller, der im Vorstand des Stadtportbundes Potsdam aktiv ist. Führungszeugnisse vorlegen müssen schon seit Längerem die Stützpunkt- und Honorartrainer im Nachwuchsleistungssport, ebenfalls jene, die ein Freiwilliges Soziales Jahr oder den Bundesfreiwilligendienst absolvieren. Während in einfachen Führungszeugnissen nur Strafen über drei Monaten oder 90 Tagessätzen auftauchen, werden beim erweiterten Papier auch Sexualdelikte mit geringeren Strafen aufgeführt.

Wenig optimistisch klingt auch Thomas Bottke, Geschäftsführer des Kreissportbundes Potsdam-Mittelmark. Er vermutet, dass 80 Prozent der Vereine die Empfehlung nicht umsetzen. Dort gab und gibt es mehrere Veranstaltungen, die Übungsleiter werden in der Ausbildung sensibilisiert. Das erweiterte Führungszeugnis sei aber „kein Allheilmittel“, sagt Bottke. Die Aufklärung der Eltern und Kinder stehe an erster Stelle, es gehe darum, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen.

Der regelmäßige Blick auf die Führungszeugnisse war nicht die einzige Empfehlung, die vor zehn Tagen in Lindow von den Sportvereinen verabschiedet wurde. Neu ist, dass Vereine ein Konzept mit einem Bekenntnis zum Kinder- und Jugendschutz, der Benennung eines Ansprechpartners, der Beschreibung eines Verfahrens im Verdachtsfall sowie Fortbildungen erstellen sollen. Dies diene „zur Umsetzung eines effektiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen, zur Minderung eigener Risiken und Imageschäden sowie als Qualitätsmerkmal“.

Die PNN haben bei den größeren und bekannteren Vereinen aus Potsdam und Umgebung nachgefragt, wie sie Kinder und Jugendliche schützen. Strukturell am besten aufgestellt scheint dabei der SC Potsdam. Der Verein, in dem 32 verschiedene Sportgruppen trainieren, hat mit Matthias Selbach einen Kinderschutzbeauftragten. Vor vier Jahren wurde die Stelle geschaffen, sagte SCP-Geschäftsführer Toni Rieger. Von allen, auch den langjährigen, der rund 100 Übungsleitern werden außerdem die erweiterten Führungszeugnisse verlangt. Außerdem müssen alle Ehrenamtler einen Ehrenkodex unterschreiben.

Seit 2011 hat auch der RSV Eintracht Teltow/Kleinmachnow/Stahnsdorf eine Kinderschutzbeauftragte. Turntrainerin Martina Groth besuchte damals Lehrgänge und brachte das Thema in den Großverein, dessen 3000 Mitglieder einen Altersschnitt von 14 Jahren haben. Ihr folgten mit Andrea Gottselig und Martin Bindemann zwei Kinderschutzbeauftragte nach – für jedes Geschlecht gibt es damit einen Ansprechpartner. Von allen neuen und vielen langjährigen Übungsleitern hat man die Führungszeugnisse gesehen.

Beim OSC Potsdam nehme man die Empfehlung sehr ernst und versuche, sie umzusetzen. Das erweiterte Führungszeugnis von Ehrenamtlichen zu fordern, sei dabei nicht so einfach. „Wir sind froh, wenn wir die Ehrenamtlichen haben“, beschreibt OSC-Geschäftsführer Jürgen Höfner eine Sorge, die öfter zu hören ist. Beim OSC fordert man vor allem, die Umgangsformen zu beachten – zum Beispiel, sich als Trainer nicht allein mit einem minderjährigen Sportler im geschlossenen Raum zu unterhalten. „Wenn der Trainer sich an die Handlungsanweisungen hält, schafft er auch für sich Sicherheiten“, sagte Höfner. Für die 1800 Mitglieder, darunter 50 Prozent Kinder und Jugendlichen ist Schwimmer Yannick Lebherz als Jugendwart der Ansprechpartner.

Einen Kinderschutzbeauftragten gibt es auch bei den Fußballvereinen SV Babelsberg 03 und Turbine Potsdam nicht. Bei Turbine mit 650 Mitgliedern, davon 80 Prozent unter 18 Jahren, will man der Empfehlung nachkommen und demnächst im Vorstand darüber sprechen, sagte Geschäftsführer Matthias Morack. Und beim SVB, wo Jugendleiter Enrico Große Ansprechpartner zum Thema Kinder- und Jugendschutz ist, will man einen fachkundigen Austausch anschieben: Experten eines Kinderhilfevereines sollen mit SVB-Nachwuchstrainern ins Gespräch kommen.

Ingmar Höfgen

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