Landeshauptstadt: Mit Wasserpumpe und Plumpsklo
Siegfried Lieberenz schuf originalgerechtes Modell eines Siedlungshauses aus den 1930er Jahren
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Waldstadt - Wer eins der schmucken, mit neuzeitlichem Komfort ausgestatteten Einfamilienhäuser der Stadtrandsiedlung nordöstlich der Drewitzer Straße sein eigen nennt, kann sich glücklich schätzen. Wer erinnert sich schon daran, dass die Gebäude ab 1932 von Arbeitslosen errichtet wurden, um die Wohnungsnot abzubauen? Nach Entwürfen des aus Württemberg stammenden, bedeutenden Stadtarchitekten Reinhold Mohr entstanden Doppelhäuser im „Schwarzwaldstil“ mit einer dunkel gebeizten Stülpschalung im Obergeschoss. Komfort boten die Häuser damals allerdings kaum: 14 Quadratmeter für das Wohnzimmer, 13 für die Küche, zwei Kammern im Obergeschoss, ein Anbau für Stall und Waschküche, keine Bäder, Plumpsklo statt WC, das Wasser wurde von der Pumpe geholt, das Abwasser in Jauchegruben entsorgt.
Das alles weiß Claus Krause, denn sein Vater gehörte zu den Erbauern der dann 1992 unter Denkmalschutz gestellten Siedlung, er selbst ist 1936 hier geboren. Der Vorsitzende des in den 30er Jahren gegründeten Siedlervereins „Einheit“ war sich mit dem Vorstand einig, dass die etwa 120 Hausbesitzer den schweren Anfang nicht vergessen sollten. Damals bekamen die Arbeitslosen und sozial Schwachen das Bauland von der Stadt in Erbpacht zur Verfügung gestellt und dazu 3000 Reichsmark Kredit für den Hausbau, der innerhalb von 99 Jahren in geringen Raten von 11, dann 19,50 RM zurückgezahlt werden sollte. Insofern ist die Siedlung auch ein bemerkenswertes Beispiel sozialer Fürsorge für die ärmeren Schichten Potsdams.
All diese Aspekte sind in einer reich bebilderten Broschüre enthalten, die der Verein zum 75-jährigen Bestehen herausgegeben hat. Und nun hat der Siedlerverein Siegfried Lieberenz beauftragt, als Modell ein Haus in der ursprünglichen Form nachzubauen. Der bekannte Potsdamer Modellbauer, dessen Arbeiten „Garnisonkirche“ und „Gloriette auf dem Bassinplatz“ derzeit in der Wilhelmgalerie ausgestellt sind, hat nach Auswertung der vom Verein zur Verfügung gestellten Bauzeichnungen und mehreren Ortsbesichtigungen ein maßstäbliches 68 Zentimeter hohes Modell geschaffen. Drei verschiedene Holzarten waren dafür notwendig, die Dachgauben sind ebenso wieder zu sehen wie der Stallbau auf dem Hof, die Wasserpumpe und sogar der Maschendrahtzaun, der das Grundstück begrenzte.
Siegfried Lieberenz, dem die Arbeit an dem Siedlerhaus „genau so viel Freude bereitete wie sonst an Kirchen und Schlössern“, hat das Modell inzwischen an den Verein übergeben. Verbunden mit einer kleinen Ausstellung, könnte es künftig im Spartenlokal „Zur Meise“ an die Geschichte der Siedlung erinnern. E. Hoh
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