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Steile Karriere. Der Potsdamer Chemiker Peter Seeberger hat ein einzigartiges Verfahren entwickelt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Homepage: Mit Zucker gegen Malaria

Peter Seeberger kämpft für die Entwicklung von Impfstoffen. Im Einstein Forum ging es um die Frage nach ethisch korrektem Handeln

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Pharmaunternehmen werden in Afrika keine kostenlosen Impfstoffe gegen Krankheiten verteilen, sagt Wissenschaftler Peter Seeberger. „Schuld sind wir alle.“ Susan Neiman, die Leiterin des Einstein Forums hatte zuvor gefragt, wie ethisch korrektes Handeln von Pharmafirmen in Afrika aussehen könne. Seit 2009 ist Peter Seeberger Direktor des Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam. Die Frage nach einer ethisch korrekten Wissenschaft ist für Seeberger wichtig, denn er entwickelt Impfstoffe. Hauptverbreitungsgebiet vieler Krankheiten wie Malaria ist Afrika, wo sich viele Menschen keine teuren Medikamente leisten können. Ob sie dennoch Medikamente erhalten, hängt von der Preispolitik der großen Pharmafirmen ab. Nicht aus Boshaftigkeit würden die Firmen ihre Medikamente im Schrank behalten, sondern im Interesse der Aktionäre, so Seeberger. Aktien besäßen viele. Das Interesse, deren Wert zu steigern, sei groß und die Grundlage von Handel und Wirtschaft. Aktien zu verschenken würde deren Kurs eher fallen lassen. Es gebe auch Fonds, deren Portfolio aus ethisch korrekten Aktien bestehe, wand Neiman ein.

Gegenwärtig steht Seeberger im Fokus von Wissenschaft und Medien, weil es ihm gelungen ist, ein Verfahren zur Herstellung von künstlichem Artemisinin zu entwickeln. Artemisinin ist einer der Grundstoffe für das Malariamittel Coartem. Bisher wurde der Stoff in einem aufwendigen Verfahren aus dem Einjähriger Beifuß, einer Pflanze aus Asien, gewonnen. Die Produktion ist teuer und aufwendig. Nach einem Gespräch Seebergers mit dem amerikanischen Forscher Jay Keasling konstruierte das Team in Potsdam einen Strömungsreaktor, in dem aus Artemisininsäure der Grundstoff für die Arzneimittelproduktion hergestellt werden kann. Als in dem Reaktor Licht und Sauerstoff an die Säure herangeführt werden, gelang der Versuch. Nun ist eine kontinuierliche Produktion von Artemisinin möglich. „Durch den steten Produktionsfluss wird die Herstellung viel billiger“, sagt Seeberger.

Bekannt wurde der Forscher, als es ihm gelang, eine Maschine zu entwickeln, die künstliche Zuckermoleküle herstellt. An der Herstellung der langen und komplizierten Ketten der Zuckermoleküle hatten schon eine ganze Reihe anderer Wissenschaftler intensiv gearbeitet. Die Moleküle sind der Grundstoff für die Forschung zu Impfstoffen beispielsweise gegen Malaria oder Aids. Mit der Maschine wird der Herstellungsprozess von künstlichen Zuckermolekülen auf einen Zeitraum von weniger als 24 Stunden verkürzt. Zuvor dauerte es mehrere Monate, auch nur Mikrogramm-Mengen herzustellen. Seeberger erhielt für die Entwicklung der Maschine den renommierten Körber-Preis. „Damit erhalten viele Wissenschaftler die Möglichkeit, zu den Zuckermolekülen zu forschen“, stellt Seeberger fest. Lange Zeit wurde die Erforschung von Zucker für sinnlos gehalten. Der Weg, den Seeberger gehen wollte, erschien vielen nicht Erfolg versprechend. Dennoch blieb Seeberger hartnäckig. Er erkannte, dass gerade die Zuckermoleküle das Einfallstor für Viren in die Zellen bilden können. Wird dieses verschlossen, kann die Zelle nicht infiziert werden. Seeberger ist überzeugt, dass sich die Forschung zu Zuckermolekülen in den kommenden Jahren erheblich verbreitern wird.

Zucker ist auch die Basis für den Impfstoff, den Seeberger gegen Malaria entwickelt hat. Der Stoff ist nach seinen Angaben so erfolgreich wie bisher kein anderes Medikament gegen die Krankheit, auch wenn viele Teams von Wissenschaftlern dazu forschen. Bereits im Jahr 2001 machte Seeberger mit seinem Team die entscheidende Entdeckung, die es ermöglichte, den Stoff zu entwickeln. „Wir haben Versuche an Mäusen gemacht, die nahezu zu hundert Prozent erfolgreich waren“, konstatiert Seeberger. Dennoch liege die Forschung zu seinem Impfstoff seit 2007 auf Eis, denn die Gelder der Entwicklerfirma in den USA reichten für die weitere Erforschung nicht aus. Neues Geld war nicht aufzutreiben. Die weltweit führende Stiftung zur Malariaforschung lehnte eine Unterstützung ab. Ein Geheimhaltungsabkommen verhinderte, dass die Forschung anderen Orts fortgesetzt werden konnte. Der Vertrag ende allerdings bald, dann werde das Medikament weiter erprobt, stellt Seeberger in Aussicht.

Potsdam und Berlin seien für junge Wissenschaftler ein gutes Pflaster, meint der 1966 geborene Wissenschaftler. Der hoch gewachsene Chemiker hat eine ziemlich rasante Karriere gemacht. Bereits mit 32 Jahren war er Assistent Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in USA. Weitere Professuren in Zürich und Berlin folgten. Die Hauptstadt sei hoch attraktiv und auch Potsdam sehr interessant. Deshalb sei es möglich, hier viele intelligente Köpfe zu versammeln und eine Forschung auf Weltniveau zu betreiben. Aus dem Team von Seeberger sind bereits zahlreiche Professoren hervorgegangen. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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