PYAnissimo: Mit Zuckerguss durchs Heiliggeistloch
Ich habe gestern einen gedeckten Apfelkuchen gebacken. Zum Herrentag.
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Ich habe gestern einen gedeckten Apfelkuchen gebacken. Zum Herrentag. Der Kuchen, so meine Erfahrung, geht bei Männern immer. Er ist ein übersichtliches Lebensmittelprodukt und kommt dem klar strukturierten männlichen Ordnungssystem entgegen. An den Schnittflächen der rechteckigen Stücke sind die Zutaten offengelegt und überschaubar, keine versteckte Überraschung auszumachen. Der Boden ist eine feste Grundlage aus Mürbeteig, aus nur vier Zutaten – das Rezept ist sogar manchem Mann bekannt. Darüber kommt die leicht eingekochte, matschige Apfelmasse, kleine Stücke noch erkennbar (das stärkt das Vertrauen in das Produkt). Wichtig hier: auf überflüssigen Schnickschnack wie Rosinen verzichten. Hauptsache, es ist süß genug. Darüber kommt wiederum Teig, Ordnung muss sein. Und das Wichtigste oben drauf – dick und fett Zuckerguss. Der macht zwar den Anspruch, es handele sich bei diesem Obstkuchen um etwas Gesundes, komplett zunichte, aber ohne geht es nicht.
Gott sei Dank ist Himmelfahrt ein Feiertag und wir Frauen haben genug Zeit zum Backen. Das ist bei den Feiertagen, die uns gewidmet sind, nicht der Fall. Am 8. März wird durchgearbeitet, selber schuld, die Frauen wollen ja die Gleichberechtigung. Und Muttertag ist ganz effektiv auf einen Sonntag gelegt. Ein Braten, ein Abwasch. Aber Himmelfahrt, das ist schon was Besonderes. Wenn sich eine wichtige Person der Öffentlichkeit in Luft auflöst (Jesus) und einen mittlerweile gut 2000 Jahre anhaltenden Hype auslöst (das Christentum), das verlangt Würdigung. In manchen sehr katholischen Gegenden wird an diesem Donnerstag schon mal eine Christus-Statue durch ein „Heiliggeistloch“ auf den Kirchenspeicher gezogen. Darauf folgt der Hagelfreitag. Himmelfahrt, Ursache und vor allem Spätfolgen sind also historisch belegt – und mit Erfindung des Bollerwagens aufgeblüht.
Friedrich Riemann aus Golm, Hausarzt im Ruhestand, hat vor Kurzem seine Erinnerungen an die Nachkriegszeit aufgeschrieben. Damals war sein Vater Arzt im Havelland. Und schon damals war an jenem Donnerstag verlässlich Halligalli angesagt. Erst hauten sich die Männer Bierflaschen übern Schädel, dann spülten sie sich beim Dorfdoktor unterm Wasserhahn die Glasscherben vom blutenden Kopf. So habe er es als kleiner Bub heimlich beobachtet.
Dann lieber Apfelkuchen. Schmeckt Männern und Frauen, tut nicht weh und verursacht keine Scherben. Packen Sie doch noch eine Kugel Eis drauf. Das beste gibts bei einer Schokoladenconfiserie in der Gutenbergstraße. Hier kostet die Kugel nur einen schönen runden Euro, während das Eiskartell fast flächendeckend in diesem Sommer auf 1,20 erhöht hat. Zwar gibt es nur vier Sorten – aber in der Beschränkung liegt eben manchmal das Geheimnis echter Größe.
Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg
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