Landeshauptstadt: Mitdenkende Maschine
Chinesische Wirtschaftsvertreter zu Gast an der Uni Potsdam – im Austausch über Industrie 4.0
Stand:
Babelsberg - Die Minifabrik hat Platz in einem Laborraum, nicht größer als ein Klassenzimmer. Der Aufbau erinnert beim ersten Anblick an die Gepäckabfertigung beim Flughafen – ein Rollband mit Boxen an mehreren Stellen, in die die zwei quaderförmigen „Werkstücke“ verschwinden können. In der Mitte der Konstruktion steht ein Roboter mit einem schwenkbaren Arm. Am Freitagvormittag war der Laborraum der Universität Potsdam am Campus Griebnitzsee gefüllt mit gut 30 Gästen aus China, viele von ihnen hielten mit ihren Smartphones fest, wie sich die beiden Werkstücke in der Minifabrik bewegten.
Sie gehörten zu den mehr als 200 chinesischen Teilnehmern der von der brandenburgischen Wirtschaftsförderung und der Industrie- und Handelskammer Potsdam organisierten Chinesisch-Deutschen Konferenz zu Digitalisierung und Industrie 4.0 (PNN berichteten). Nach Besuchen bei der Hannover Messe am Mittwoch und Fachvorträgen am Donnerstag wurde das Konferenzprogramm am Freitag mit verschiedenen Exkursionen abgerundet. Die chinesischen Gäste informierten sich unter anderem im energie-autarken Dorf Feldheim bei Treuenbrietzen über erneuerbare Energien, beim Solarmodulhersteller Astronergy in Frankfurt/Oder über die Kooperation mit dem chinesischen Mutterkonzern Chint oder über die neuesten Entwicklungen in Sachen Leichtbauwerkstoffen am entsprechenden Forschungszentrum der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) in Cottbus.
Bei der Potsdam-Exkursion stand das Thema „Internet der Dinge“ im Mittelpunkt – mit diesem Begriff beschreiben die Fachleute die Entwicklung, dass Gegenstände über eingebettete Mini-Computer mit „intelligenten“ Funktionen ausgestattet werden. Dann kann zum Beispiel ein Drucker „selbstständig“ erkennen, wenn die Tinte ausgeht und eine neue Patrone nachbestellen. Halten solche sogenannten intelligenten Prozesse in der Industrie Einzug, spricht man auch von „Industrie 4.0“.
Wie eine solche Umstellung im Einzelfall aussehen kann, das simulieren die Potsdamer Uni-Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, Systeme und Prozesse in ihrem „Anwendungszentrum Industrie 4.0“. Den chinesischen Gästen am Freitag erklärte Mitarbeiter Sander Lass im Labor eine Produktionsstrecke für künstliche Kniegelenke – vom Fräsen des Gelenks zur Reinigung und Qualitätskontrolle und schließlich zur Nummerierung. Während beim herkömmlichen Werkstückträger mehrmals ein Arbeiter tätig werden muss, um einen Prozess zu starten oder zu beenden, funktioniert das mit einem „intelligenten“ Werkstückträger praktisch ohne menschliches Eingreifen, erklärte Lass: „Er weiß, wo er sich befindet und kennt die Maschinen.“
Die Frage nach der Digitalisierung der Produktion sei für China derzeit besonders interessant, sagte Xiaoyi Lin, der Geschäftsführer des Automobilteileherstellers Automorr im chinesischen Shenzhen, einer in den vergangenen Jahren entstandenen Industrie- und Kreativstadt bei Hongkong. Bei der Digitalisierung gebe es große Unterschiede zwischen Deutschland und China – von einer Kooperation könnten beide profitieren. Die Internet- und Mobilwirtschaft sei in China besser entwickelt, Deutschland liege bei der Digitalisierung der Industrie vorn. Auch die Frage nach Ausbildungsmöglichkeiten interessierte die Gäste: Wang Dong, Mitarbeiter einer Firma im Bereich „Virtuelle Realität“ in Shanghai, erkundigte sich nach Fachausbildungen an der Uni Potsdam. Man lege großen Wert auf internationale Kooperationen, sagte er. J. Haase
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: