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Eng verbunden. Viele Kleinmachnower Einwohner kamen zum Rathaus, um sich in das Kondolenzbuch einzutragen.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Mitgefühl, das wärmt und hilft

Kleinmachnow hat eine besondere Beziehung zu Norwegen. Bewegt wurde jetzt der Ermordeten gedacht

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Kleinmachnow – Die schönen Erinnerungen sind noch frisch: Erst im Mai dieses Jahres waren Schüler der Kleinmachnower Maxim-Gorki-Schule im norwegischen Bergen, um dort gleichaltrige Jugendliche im Rahmen eines Austausches zu treffen. Man besuchte die Sehenswürdigkeiten, drückte gemeinsam die Schulbank und lernte sich kennen. „Es sind sehr offene und soziale Menschen, wir sind so freundlich aufgenommen worden“, berichtet der 20-jährige Abiturient Clemens Mock. Umso tiefer sitzt nun der Schock: Dass in Norwegen am vergangenen Freitag 76 Menschen ermordet worden sind, in einem Land, das für seine Offenheit und seinen Wohlstand bekannt ist, kann man auch in Kleinmachnow noch nicht so recht fassen. Gestern wurde mit einer Schweigeminute im Rathaus der Opfer des Attentäter Anders Behring Breivik gedacht. Dutzende Einwohner trugen sich in ein Kondolenzbuch ein, darunter auch Potsdam-Mittelmarks Landrat Wolfgang Blasig (SPD).

„Es ist einfach nicht zu begreifen“, verdeutlichte auch die 17-jährige Jessica Ritter, die ebenfalls beim Schüleraustausch dabei war, ihre Fassungslosigkeit. Über die Motive des Täters, der erst eine Autobombe im Osloer Regierungsviertel gezündet hatte und danach auf der Ferieninsel Utöya ein Massaker unter Urlaubern anrichtete, ist seit Freitag viel spekuliert worden. Sofort wurde gemutmaßt dass es sich um einen islamistischen Terroranschlag handeln würde. Mittlerweile ist klar, dass Breivik aus der rechten Szene kommt und auf der Ferieninsel gezielt Jagd auf die Mitglieder einer sozialdemokratischen Jugendorganisation machte.

Norwegen sei nach dem 22. Juli wahrscheinlich ein anderes Land geworden, sagte der Journalist Asbjörn Svarstad, der für das norwegische „Dagbladet“ als Korrespondent in Berlin arbeitet. Er vertrat gestern den Botschafter, der zurzeit in seinem Heimatland gebraucht wird. „Es gibt immer Leute, die fordern, dass man sofort und hart zurückschlagen muss“, sagte Svarstad gegenüber den PNN, doch primitive Reaktionen werde man in seinem Land nicht zulassen. Der Journalist las aus dem Brief eines muslimischen Mädchens vor. Die 13-jährige Sophia, von Zweifeln geplagt, fragt darin: „Muss ich jetzt wegziehen, um andere Kinder in Norwegen zu schützen?“ – „Nein, Sophia, das musst du nicht“, antwortete Svarstad entschlossen in die Runde.

Kleinmachnow fühle sich besonders eng mit den Norwegern verbunden, wie die stellvertretende Bürgermeisterin Barbara Neidel erklärte. Das hat vor allem mit dem Schicksal eines der größten norwegischen Nationaldichter, Nordahl Grieg, zu tun. Der fand im Zweiten Weltkrieg in Kleinmachnow den Tod. Grieg hatte seit dem Einmarsch der Deutschen in sein Land in britischer Uniform gegen Hitler gekämpft. Als Kriegsberichterstatter befand er sich 1943 an Bord eines Lancaster-Bombers, der auf einem Flug nach Berlin über dem Teltowkanal abgeschossen wurde und explodierte. An der Absturzstelle unterhalb der Hakeburg steht heute ein Gedenkstein. Aufgearbeitet hat diesen Teil der Ortsgeschichte der Historiker Günter Käbelmann. Grieg hatte in seinen Werken immer wieder die Frage aufgeworfen, ob sich das Gute mittels brutaler Gewalt durchsetzen ließe - oder ob es zum Untergang verurteilt ist.

An den Schriftsteller und Lyriker erinnert auch ein jährliches Ereignis, das der Kleinmachnower Laufclub seit fünf Jahren veranstaltet. Rund 300 Teilnehmer sind durchschnittlich beim Nordahl-Grieg-Gedenklauf dabei, der nächste ist am 3. Dezember geplant. Und so war neben den Gorki-Schülern, die seit zwei Jahren die Kontakte zur Partnerschule in Bergen pflegen, und Bürgern aus der Gemeinde auch der Vorsitzende des Laufclubs Frank Meister ins Rathaus gekommen, um seine Anteilnahme zu bekunden. „Fast 80 Menschen verloren ihr Leben durch die Tat eines Wahnsinnigen“, sagte er kopfschüttelnd.

Wie es in seinem Land weitergeht, könne man noch nicht sagen, erklärte Asbjörn Svarstad, die Trauer sei noch zu groß. „Aber Solidarität und Mitgefühl, wie sie uns auch hier entgegengebracht werden, helfen und wärmen“, sagte er.

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