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Landeshauptstadt: Mitgelitten aus der Ferne

Hélèna Farjon aus Frankreich ist Lehrerin der Voltaire-Schule. Die Reaktion ihrer Schüler hat sie bewegt

Von Peer Straube

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Innenstadt - Der Anblick hat Hélèna Farjon zu Tränen gerührt. „Alle Schüler standen auf dem Hof, die Köpfe gesenkt“, erzählt die 36-Jährige. „Das hat mich sehr bewegt.“ Farjon ist Lehrerin für Französisch und Spanisch an der Voltaire-Gesamtschule, deren Schüler und Lehrer am Montag wie die vieler anderer Potsdamer Schulen mit einer Schweigeminute der Opfer der Pariser Terroranschläge gedacht haben.

Farjon ist selbst Französin. Zwar stammt sie aus Nizza und nicht aus Paris, doch ihr Bruder lebt in und ihre Zwillingsschwester in der Nähe der französischen Hauptstadt. Fassungslosigkeit und große Sorge um ihre Angehörigen habe sie zunächst empfunden, erzählt die Pädagogin. Dabei hat sie von den Anschlägen erst am Samstagmorgen erfahren: „Ich bin in der Halbzeitpause des Testspiels zwischen Frankreich und Deutschland ins Bett gegangen“, sagt Farjon. „Ich konnte das erst gar nicht glauben.“

Dann kam der Schock – und die Angst. Ein Telefonat brachte erste Erleichterung: „Zum Glück ist meinen Geschwistern nichts passiert.“ Doch die Wut und die Ohnmacht über das, was in ihrer Heimat passiert ist, sitzen tief. Noch nicht einmal vor zehn Monaten habe sie im Französisch-Kurs mit ihren Schülern über die Anschläge auf die Redaktion des Pariser Satiremagazins „Charlie Hebdo“ gesprochen. „Ich will in meinem Unterricht nicht immer über Terrorismus in Frankreich reden müssen“, sagt Farjon.

Doch die Reaktion ihrer Schüler hat sie überwältigt. „Die Mädchen aus meiner achten Klasse haben mich heute Morgen gleich umarmt“, erzählt Farjon mit Rührung in der Stimme. Die Schüler der sechsten Klasse seien anfangs ganz still gewesen und haben gefragt, wie es ihr und ihren Verwandten gehe. Ein so großes und ernsthaftes Interesse an den Hintergründen des Attentats hatte sie nicht erwartet. „Das hat mich sehr bewegt.“

Überall in Potsdam haben die Schulen gestern ihre Solidarität mit Frankreich bekundet. Das Berta-von-Suttner-Gymnasium in Babelsberg etwa, das mit einer Schule in Versailles eine Patenschaft unterhält, hat sogar ein Kondolenzbuch ausgelegt. Es solle dann nach Versailles geschickt werden, sagte die stellvertretende Schulleiterin Sibylle Raphael den PNN. Auf dieselbe Weise habe die Schule auch bei den Anschlägen auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ ihre Betroffenheit und Anteilnahme bekundet.

An der Schweigeminute hätten sich Schüler und Lehrer beteiligt. „Viele unserer Schüler waren schon einmal in Paris“, sagte Raphael. Erst im Oktober habe eine Klasse Frankreichs Hauptstadt besucht und sogar in der Nähe des Stade de France gewohnt, so Raphael.

Auch in der Lenné-Schule gedachten Schüler und Lehrer am Mittag schweigend der Opfer der Anschläge von Paris. Im Unterricht seien sie ebenfalls Thema. „Unsere Lehrer gehen sehr verantwortungsbewusst damit um“, sagte Schulleiterin Andrea Roßland. Auch die Schüler der Luxemburg-Grundschule beteiligten sich an dem Gedenken. Die Kinder aus den vierten, fünften und sechsten Klassen hätten alle jede Menge Fragen gehabt, erklärte Schulleiterin Sabine Hummell. Die Beteiligung an der Schweigeminute sei indes freiwillig gewesen.

Wie das Suttner-Gymnasium pflegt auch die Voltaire-Schule enge Beziehungen zu Frankreich. Bereits am Wochenende habe man der Partnerschule im Pariser Vorort Saint-Germain en Laye einen Brief geschrieben und Befürchtungen entkräftet, der Schüleraustausch werde nun eingestellt, sagt Farjon. „Natürlich fahren wir auch im nächsten Jahr wieder dorthin“, erklärt die Lehrerin bestimmt.

Seit 13 Jahren lebt sie in Potsdam, inzwischen hat sie mit ihrem Lebenspartner eine kleine Tochter, hier leben viele Freunde. Mit der Stadt fühlt sie sich verbunden, von Anfang an. „Hier ist es so kuschelig.“ Mit ihrer Heimat Frankreich leidet sie aus der Ferne mit. „Ich hoffe, dass diese bunte und quirlige Stadt bald zur Normalität zurückkehren kann“, sagt Farjon. Peer Straube

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