
© Gayane Arakelyan
Landeshauptstadt: Mobbing statt preußischem Drill
Das Große Waisenhaus ist „Filmschauplatz des Monats. Hier entstand 1931 das Jugenddrama „Mädchen in Uniform“.
Stand:
Eigentlich verknüpft man diesen Film eher mit dem ehemaligen Kaiserin-Augusta-Stift am Neuen Garten – zu Recht, denn Autorin Christa Winsloe verarbeitete in dem Schauspiel „Ritter Nérestan“ die Erinnerungen an ihre Jugend in diesem preußisch-strengen Mädcheninternat. Gleich zweimal kam der Stoff auf die Leinwand – am bekanntesten ist sicherlich die Wiederauflage von „Mädchen in Uniform“ aus dem Jahr 1958 mit der jungen Romy Schneider in der Rolle der Manuela, die sich in ihre Erzieherin verliebt, am preußischen Drill und dem Druck von Lehrerinnen und Mitschülerinnen aber schließlich zerbricht und einen Selbstmordversuch unternimmt. Bereits 1931 entstand die erste Fassung unter Regie von Leontine Sagan – gedreht wurde damals in Potsdam, anders als bei der späteren Fassung. Die historische Innenstadt mit dem Stadtschloss, dem Lustgarten und der Garnisonkirche wurde dafür zur Kulisse, große Teile des Films entstanden auch im Großen Waisenhaus in der Breiten Straße. Dort wurde am gestrigen Freitag die Fahne für den „Filmschauplatz des Monats“ gehisst.
Auf eine beinahe dreihundertjährige Geschichte kann die Stiftung Großes Waisenhaus zurückblicken – eingeweiht wurde die Erziehungseinrichtung für Soldatenkinder im Jahr 1724. Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. hatte das Haus nach dem Vorbild der Franckeschen Stiftungen in Halle gegründet. 1992 wurde die Stiftung nach 40 Jahren Pause wiederbelebt, wie Geschäftsführer Jürgen Pankonin erinnerte. Auch wenn die Stiftung heute immer noch in der Jugendarbeit tätig ist – sie betreibt zum Beispiel Betreuungs- und Berufsbildungseinrichtungen, initiierte aber auch Projekte zur musikalischen Früherziehung von Kindern aus sozial benachteiligten Familien – seien die Bedingungen „nicht vergleichbar“ mit dem strengen Regime, unter dem die Mädchen im Film leiden.
Trotzdem könne „Mädchen in Uniform“ auch heute „ein Stück weit als Mahnung“ verstanden werden, sagte Elona Müller-Preinesberger (parteilos), Potsdams Sozialbeigeordnete. Denn auch am „Mobbing“, wie es heute etwa an Schulen beklagt wird, könnten Persönlichkeiten von Jugendlichen zerbrechen.
Auch in jüngerer Zeit ist das Große Waisenhaus wieder Filmkulisse gewesen: Hier wurden laut Stadt etwa Szenen für den Thriller „Unknown“ oder für den Weihnachtsfilm „Beutolomäus“ aufgenommen, außerdem war das Haus Drehort für die Fernsehserie „Unser Charly“.
Die Spur eines Werbefilms für das Waisenhaus, der in den 1920er oder 30er Jahren entstanden und im Vorprogramm vieler Kinos gelaufen sein soll, verliert sich jedoch im Dunkeln, sagte Stiftungssprecherin Gesine Hanebuth-Schubert. Recherchen im Bundesfilmarchiv seien bislang erfolglos geblieben, auch wenn Tagebucheinträge des früheren Waisenhausdirektors die Existenz belegten. Hanebuth ruft Potsdamer, die den Film gesehen haben und sich an den Titel oder andere Details erinnern können, auf, sich zu melden.
„Mädchen in Uniform“ läuft am 31. Juli um 18 Uhr im Filmmuseum. Zudem gibt es eine Vorführung auf dem Hof des Waisenhauses am 10. September um 21 Uhr – begleitet von einem Musikprogramm, das an die „Potsdamer Hautboistenschule“ erinnern soll, eine früher am Waisenhaus angesiedelte Musikschule.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: