
© A. Klaer
Kolumne PYAnissimo: Mooomendemol!
Liebe Leser, fast hätte ich mich dieses Mal über den plötzlichen Herbsteinbruch ausgelassen. Aber das verschiebe ich.
Stand:
Liebe Leser, fast hätte ich mich dieses Mal über den plötzlichen Herbsteinbruch ausgelassen. Aber das verschiebe ich. Denn wir stecken ganz offensichtlich im tiefsten und prächtigsten Sommerloch fest. Sie haben es verfolgen können, es bleibt Ihnen ja nichts anderes übrig: Zum Beispiel muten wir Ihnen eine kaltblütige Dackelentführung zu, die jetzt ja Gott sei Dank aufgeklärt wurde. Der Hund wird wie im Agententhriller auf der Glienicker Brücke – oder war es doch der Münchener Flughafen? – dem echten Besitzer übergeben.
Und dann der ganz große Knaller: Potsdam bedroht vom Szenario einer atomaren Katastrophe. Das Thema kommt alle Jahre wieder, Aufschrei garantiert. Nur Feinstaub und Mercure ist auf Dauer auch langweilig. Was ist neu?
Die Experten, die im Übrigen in Darmstadt sitzen, keine Ahnung, ob die den 70 mal 70 mal 70 Zentimeter großen Reaktor schon mal in echt gesehen haben, nahmen ein vorhandenes Gutachten von 1990, addierten die aktuelle politische Lage und stellten fest: Sollte sich ein Knalli an der Hochsicherheitspforte in Wannsee als Fliesenleger ausgeben, dann unter den Schreibtischen der vielen internationalen Forscher rumkrabbeln, dort nach einer Steckdose suchen, seinen Schlagbohrer auspacken und loslegen, um nach 30 Minuten ungestörter Arbeit durch die dicke Betonwand gekommen zu sein, infolge dessen das Kühlwasser tagelang dort lustig rausdröppelt – so ein Rinnsal quer durchs Labor kann man ja mal übersehen – also sollte das klappen und dann zufällig zeitgleich ein großer Flieger punktgenau darüber abstürzen, das wäre tatsächlich schon ungünstig. Da hätten wir in Potsdam ein Problem.
Die Bundestagsfraktion der Grünen, die das Gutachten in Auftrag gegeben hatte (Freitagnachmittag in Darmstadt: „Schorsch, gugge mol, do is noch wos roigekumme“. Schorsch: „Momendemol, des Ding da aus Potsdam? Net scho widder.“), also die Grünen müssen auch so richtig im Sommerloch sitzen. Aber klar, Potsdam ist mordsgefährlich. Jederzeit kann jemand den Brunnendeckelalarm der Wasserwerke ausschalten und Gift ins Trinkwasser mischen. Auch gut: Das Bahnhofsdach ansägen, wahlweise im Theater die Klappsitze, oder alle Ampeln plötzlich ausschalten. Im Klinikum die Stromkabel kappen wäre ebenfalls höchst unangenehm. Und – hat das schon mal jemand erforscht, wie hoch da die Wahrscheinlichkeit ist? Eine Expertenanfrage gestellt?
Nein, denn da würden wir ja verrückt. Da können wir diese Stadt total und forever evakuieren. Dabei ist es doch so schön hier. (Dieser Satz ist komplett ironiefrei. Wirklich.) Die Wasserspiele sprudeln. Die Schlössernacht kommt. Leider soll genau am Samstag auch eine rechte Kundgebung auf dem Luisenplatz stattfinden. Ob das abzuwenden gewesen wäre, aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, dazu hätte ich mir dann doch eine rechtzeitige eingehende Expertenprüfung gewünscht.
Jetzt müssen wir es also drauf ankommen lassen. Und wenn alle irgendwo anders sind, beim Pokalspiel in Babelsberg, bei der Schlössernacht oder Dackelübergabe, dann stehen die rechten Identitätspropheten hoffentlich ziemlich verlassen auf dem Luisenplatz.
Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: