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Emissionsmessung. Die Forscher des Institut für Agrartechnik waren schon 1993 in Tierställen aktiv. Heute bewegt sich die Forschung auf einem anderen Niveau.

© promo/ATB

Landeshauptstadt: Morddrohung im Briefkasten

Als das Institut für Agrartechnik gegründet wurde, flossen auch viele Tränen

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Natürlich gibt es auch schmerzhafte Erinnerungen, sagt Georg Otto und blickt auf die leere Bühne des Potsdamer Hans Otto Theaters. „Was denken Sie, wie viele Tränen ich in den Kündigungsgesprächen gesehen habe“, sagt der frühere Geschäftsführer des Instituts für Agrartechnik in Bornim (ATB) und starrt auf den Boden. Die Reden zum 20-jährigen Jubiläum des Leibniz-Instituts sind geschwungen, die Gäste haben den Saal geräumt. Nur Otto ist noch da. 80 Jahre alt, das Haar akkurat nach hinten gekämmt, die Krawatte eng am Kragen. „Es gab eine Unruhe in der Belegschaft, die Zungen lösten sich“, erzählt Otto von den Wendejahren. „Wer in so einer Situation auf dem Chefsessel sitzt, der darf die Hosen nicht voll haben.“ Selbst wenn im Briefkasten eine Morddrohung liegt.

Mit einer gemeinsamen Festveranstaltung haben die drei agrarwissenschaftlichen Leibniz-Institute in Brandenburg – das Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau, das Zentrum für Agrarlandschaftsforschung und das Potsdamer Institut für Agrartechnik – am Mittwoch im Hans-Otto-Theater in Potsdam ihr 20-jähriges Gründungsjubiläum gefeiert. Zahlreiche Gäste aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft begleiteten die Reden und Festvorträge, darunter Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst. Sie lobte die Forschungsarbeit. Diese finde auf höchstem Niveau statt. Alle drei Institute seien mit ihren Forschungsprogrammen breit und exzellent aufgestellt, um die wissenschaftlichen Grundlagen für die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen zu legen. „Wir sind stolz auf sie“, so Kunst. Die Ministerin erinnerte auch an die Anfänge der Agrarforschung in der Mark.

So fanden schon unter Friedrich II. in Bornim erste Agrarversuche auf dem Gelände statt. Nach 1927 wurde die Forschung unter dem Dach des „Versuchsguts für Landarbeit“ professionalisiert und später unter wechselnden Namen weitergeführt. So war dort ab 1952 das Institut für Landtechnik untergebracht und bis zum Fall der Mauer das Forschungszentrum für Mechanisierung der Landwirtschaft. Unter anderem wurde in dieser zeit das Landmaschinen-Prüfwesen aufgebaut und erste Messtechnik für den Agrarbereich entwickelt. Auch zum Thema Biogas wurde in Bornim schon vor dem Fall der Mauer geforscht.

Die Wendejahre stellten die Forschungslandschaft in Ostdeutschland dann vor große Herausforderungen. „Das Reduzierungen anstanden, war jedem klar“, erzählt Georg Otto. Sein halbes Leben – seit 1958 – war der Professor am Institut in Bornim tätig. Obwohl Ex-Mitglied der SED, wurde er mit Unterstützung der Mitarbeiter zum Geschäftsführer des Instituts bestimmt. Zu seinen ersten Aufgaben zählte allerdings, allen 430 Angestellten bis Ende 1990 die Kündigung auszusprechen. Das sah der Einigungsvertrag so vor. Das war auch die Zeit, in der Otto der Drohbrief erreichte: „Man müsste sie alle umbringen da oben“, erinnert sich Otto an den Text. Er ließ sich nicht einschüchtern. „Wenn man nichts zu verlieren hat, kann man viel riskieren.“ Das Direktorium erarbeitete ein Rettungskonzept für rund 130 Mitarbeiter. Mit anderen wurden Vorruhestandsregelungen geschlossen, Kurz- und Teilzeitarbeit vereinbart.

Im September 1990 ging das neue „Max-Eyth-Institut“ an den Start. „Wir hatten sogar ein eigenes Siegel mit Eule und Pflug“, sagt Otto. Er erinnert sich auch an die Anrufe aus dem Ministerium: „Sie können doch nicht einfach ein Institut eröffnen!“, sagten sie ihm. Doch er konnte und ein Jahr später war klar: Die Bornimer würden als eines von drei Instituten in Brandenburg auf die „blaue Liste“ rücken, in die Leibniz-Gemeinschaft. Das war vor 20 Jahren. Bis heute verspricht die Mitgliedschaft dem Institut Fördergeldzahlungen von Bund und Land. „Hätte das alles nicht geklappt, dann wäre der Ofen heute wohl aus“, sagt Otto. Tobias Reichelt

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