Landeshauptstadt: Mordfall Probsthain
Neue Einzelheiten über stalinistisches Verbrechen an vier Potsdamern / Eine Rehabilitierung reicht Peter Probsthain nicht aus
Stand:
Neue Einzelheiten über stalinistisches Verbrechen an vier Potsdamern / Eine Rehabilitierung reicht Peter Probsthain nicht aus Es war eines der schwerwiegendsten stalinistischen Verbrechen in Potsdam: Wegen Spionage waren Gerhard Probsthain, Klaus Glander, Heinz Bock und Erich Lübeck am 8. Juli 1950 vom Sowjetischen Militärtribunal (SMT) zum Tode verurteilt und am 23. September 1950 hingerichtet worden. Erich Ebeling, Lieselotte Gerich, Siegfried Giese und Georg Löffler – Peter Probsthains Großvater – erhielten langjährige Freiheitsstrafen zwischen 25 und 15 Jahren und wurden ins sowjetische Straflager Workuta oder ins Zuchthaus Bautzen eingeliefert. Vor knapp einem Jahr berichteten die PNN erstmals über dieses Verbrechen an einer Gruppe von Potsdamern. Der Historiker Mike Schmeitzner hat jetzt in dem im Böhlau Verlag erschienenen Buch „Sowjetische Militärtribunale, Band 2: Die Verurteilung deutscher Zivilisten“ weitere Einzelheiten über diesen Mordfall veröffentlicht. Danach ging Militärstaatsanwalt Oberst der Justiz A. P. Bulucevskij von der Existenz einer „illegalen Organisation“ in der Handelsabteilung der Verwaltung der volkseigenen Betriebe (VBB) Brandenburgs aus. Hier war Probsthain als Abteilungsleiter angestellt, Glander und Giese als Kontrolleure, Löffler als Buchhalter und Lieselotte Genrich als Sekretärin. Lübeck war Versicherungsagent, Bock Polizist. Wie Heinz Bock hatten von 1946 bis 1948 auch Probsthain, Lübeck und Glander eine Tätigkeit in der Mordkommission der Potsdamer Kriminalpolizei ausgeübt. Sie gehörten einer Gruppe an, die Verbrechen sowjetischer Besatzungssoldaten an deutschen Zivilpersonen bearbeitete. Sie gaben Meldungen über solche Morde an das Ostbüro der SPD in Westberlin und an die Zeitung „Telegraf“ weiter, außerdem Informationen über die Versorgungslage und die politische Stimmung in der Bevölkerung. Ihre Kontaktpersonen waren Werner Kühne vom SPD-Ostbüro und der „Telegraf“-Redakteur Werner Nieke, der in der Verhandlung mit dem englischen Geheimdienst in Verbindung gebracht wurde. Das SMT warf den Angeklagten vor, über „die Methoden der deutschen Kriminalpolizei im sowjetischen Sektor Berlins, über politische Verbrecher, über die Insassen in den Gefängnissen“ und über die „Herstellung volkseigener Produkte“ informiert zu haben. 1995 stellte die Russische Militärhauptstaatsanwaltschaft für alle acht Verurteilten fest, dass die nach Westberlin weitergegebenen Informationen „keine durch die Gesetze der UdSSR geschützten Staats- und Militärgeheimnisse“ betrafen und der zur Last gelegte Straftatbestand unzutreffend war. Sie seien „aus politischen Motiven strafrechtlich zur Verantwortung gezogen“ worden und deshalb zu rehabilitieren. Peter Probsthain, dem Sohn Gerhard Probsthains, reicht die Rehabilitierung seines Vaters und Großvaters nicht aus. Er versucht seit den 90er Jahren, die Schuldigen an dem Verbrechen zu finden. Dazu hat er Verdachtsmomente gegen den inzwischen pensionierten Staatsanwalt Hanserik Albrecht zusammengetragen. Der in Berlin lebende Rentner war damals Leiter der Kripo-Arbeitsgruppe, in der Probsthain, Glander, Bock und Lübeck gearbeitet hatten. Aus den Akten der Stasi-Unterlagenstelle Potsdam ergibt sich, dass Albrecht Agent des sowjetischen Geheimdienstes KGB und ab 1953 als IM „Holm“ auch für die Statsicherheit tätig war. Ebenso liegen dort Berichte des damaligen Schulungsleiters der SED- Kreisleitung, Nölte, vor, der sich bei Probsthain anbiederte, ihn beschattete und denunzierte. Wie die PNN am 3. Januar 2004 berichteten, waren Peter Probsthains Bemühungen bis dahin ohne Ergebnis geblieben. Ein Auskunftsersuchen an den Berliner Senat über die Angaben Albrechts in seinem Pensionierungsverfahren wurden mit Hinweis auf den Datenschutz abgelehnt, ein bei der Staatsanwaltschaft Neuruppin angestrengtes Ermittlungsverfahren eingestellt, weil die „vagen Hinweise“ nicht ausreichten und „nicht zu erwarten ist, dass der Beschuldigte selbst die Tat gesteht“. Peter Probsthain ist im Behördendschungel noch keinen Schritt weitergekommen.Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: