zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Musik statt Politik

Das erste Konzert im Innenhof des Landtags, die „Sommersinfonie“ mit der Neuen Hofkapelle Potsdam, war ausverkauft

Stand:

Möglicherweise war Nikolaikantor Björn O. Wiede an diesem Abend der glücklichste Mensch in Potsdams neuer Mitte. „Ich bin unendlich froh, dass es so ein schöner Sommerabend geworden ist“, sagte der Dirigent und Leiter der Neuen Potsdamer Hofkapelle, die am Samstagabend das erste Open-Air-Konzert im neuen Landtagsdomizil bestritt. Fünf Monate nach Eröffnung des wiederaufgebauten Preußenschlosses fand nun eine Inbesitznahme der anderen Art satt. Mit der ersten „Sommersinfonie“ im Innenhof wurde für eine Nacht der sonst eher nüchternen Atmosphäre von Zweckdienlichkeit und Sicherheitsbelangen sommerliche Leichtigkeit entgegengesetzt.

Dazu passte die Erdbeerbowle vom Catering auf dem Alten Markt. In den Konzertsaal ging es allerdings nur ohne Getränkebecher. Der Kartenpreis von 40 bis 50 Euro ließ manche an der Abendkasse, wo es noch Restkarten gab, zögern. „So viel Geld hab ich nicht mit, ich wusste nicht, dass das so teuer ist“, sagte eine Dame. „Wir hören dann hier draußen zu“, tröstete der Mann seine Begleiterin. Tatsächlich blieben einige als Zaungäste draußen vor dem Tore, vor dem Fortunaportal. Spaziergänger blieben stehen, eine Dame hatte sogar vorsorglich einen Klappstuhl dabei.

Inmitten der Schlossmauern erklang dann endlich die erste „Sommersinfonie“: Die 45 Musiker der Neuen Potsdamer Hofkapelle spielten die „Sinfonia in D“ von Carl Philipp Emanuel Bach, Bach-Sohn und Komponist, der am Hofe Friedrich II. wirkte, Mozarts „Prager Sinfonie“, Joseph Haydns Konzert für Trompete und Orchester Es-Dur sowie Beethovens 2. Sinfonie. Zum ersten Mal nach fast 70 Jahren wurde hier live musiziert, Wiener Klassik unter abendlichen Schleierwolken. Und leiser als erwartet: Kantor Wiede verzichtete an dem historischen Aufführungsort auf elektronische Verstärkung. So füllte sich das Schlosshofgeviert erst zaghaft mit sinfonischen Klängen, als müsse sich das Gemäuer selbst an das Neue gewöhnen.

Doch der Gesamteindruck von Livemusik, einer prächtigen Kulisse – die gar keine war, sondern echt – und dem perfekten Abend brachte einen gewissen Zauber mit sich. Viele Besucher nutzten den Abend, um sich zunächst gründlich umzuschauen, nahmen vor allem die neuen Sanssouci-Skulpturen des Künstlers Florian Dombois in Augenschein. Als die riesigen Aluminiumkostruktionen vor wenigen Wochen mitten auf den Rasenflächen aufgestellt wurden, fragten sich manche: Wie wird man hier jetzt größere Veranstaltungen planen?

Die Bühne stand am Samstag schließlich vor dem Fortunaportal, die Musiker hatten folglich den Eingangsbereich im Rücken, die Zuschauer die moderne Kunst. Wen es nicht auf den Stühlen hielt, der nahm sich die Freiheit, auf dem Hof ein wenig zu wandeln, Raum und Klang zu entdecken. Manche Gäste nahmen die Betonbänke in Besitz, hatten sogar Sitzkissen mitgebracht. Vielleicht war das das eigentliche Konzerterlebnis: dass die im Hof eingefangene Musik dem ganzen Gebäudeensemble einen so anderen Charakter verlieh, als es das politische Tagesgeschäft sonst vermittelte. Mitteschön-Vorsitzende, Kabarettistin Barbara Kuster, war sichtlich gerührt, die Potsdamer Fotografin Monika Schulz-Figuth, die sich ebenfalls für den Wiederaufbau der historischen Mitte engagiert, hielt den Abend fotografisch fest. In dessen Verlauf änderte sich das Licht von Abendsonne bis Dämmerung, und der halbe Mond schwamm von einer Ecke des Schlosses zur nächsten. Die Musik fügte sich in die Klangkulisse der leichten Juninacht, mit Lerchentrillern und dem einen oder anderem Flieger, der den Wolkendunst durchpflügte.

Nach der Pause verlieh Star-Trompeter Reinhold Friedrich, den Wiede engagiert hatte, als Solist bei Haydns Trompetenkonzert dem Abend eine herzliche Klangfarbe, davon hätte man gern mehr gehabt. Zuvor hatte der sichtlich gut gelaunte Trompeter den Gästen das Signal – eine Fanfare mitten auf dem Alten Markt - zum zweiten Konzertteil gegeben.

Der Landtag blieb indes an dem Abend komplett geschlossen. Außer den Wachschutzmitarbeitern, die bisweilen zu Mithörern wurden, war von den eigentlichen Landtagsnutzern niemand zu sehen. Steffi Pyanoe

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })