Landeshauptstadt: Mut, Zufall und eine kleine Schummelei Malunterricht in der Senioreneinrichtung
Teltower Vorstadt - Die drei Damen am Tisch eint, dass sie nun etwas Neues in ihrem Leben beginnen – sie wollen malen lernen. Gisela Senewald, 81, war Ingenieurin für Kaderentwicklung an der Potsdamer Universität, Heidemarie Merz, 64, war Verkäuferin im Schuhfachgeschäft und dekorierte ab und an die Schaufenster.
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Teltower Vorstadt - Die drei Damen am Tisch eint, dass sie nun etwas Neues in ihrem Leben beginnen – sie wollen malen lernen. Gisela Senewald, 81, war Ingenieurin für Kaderentwicklung an der Potsdamer Universität, Heidemarie Merz, 64, war Verkäuferin im Schuhfachgeschäft und dekorierte ab und an die Schaufenster. Dita Fischer, 87, unterrichtete ihre Schüler in Deutsch und Mathematik. Die drei leben im Kursana Domizil in der Heinrich-Mann-Allee und harren nun ihrer Mallehrerin Rosemarie Blümel, die hier einen kleinen Malzirkel aufgebaut hat.
Manchmal sitzen bis zu sieben Bewohner um den Tisch. Heute sind es drei, das verheißt intensive Arbeit. Rosemarie Blümel sprüht vor Tatendrang, brennt für die Malerei, die sie selbst erst vor sechs Jahren für sich entdeckt hat. Eigentlich glaubte sie nicht daran, überhaupt je künstlerisch tätig sein zu können, da sie seit vielen Jahren schon Parkinson hat, operiert wurde und ihr wegen der körperlichen Beeinträchtigung auch ein wenig das Selbstbewusstsein schwand. Zufall, eigener Mut und eine kleine Schummelei ließen sie die Malerei für sich entdecken: Sie gestaltete eine Internet-Seite für die Deutsche Parkinson Vereinigung, Regionalgruppe Potsdam, und benutzte dazu auch eine Zeichnung. Ein Nutzer der Seite war so beeindruckt, dass er mehr Arbeiten von der Künstlerin, von der er annahm, dass sie die Seite gestaltet hatte, sehen wollte. Allein die Zeichnung war von Rosemarie Blümels Schwester. Was tun? Die kleine Schummelei zugeben oder sie als Anreiz verstehen? Rosemarie Blümel entschied sich für die Herausforderung und begann zu malen – zwei, drei Stunden täglich, bis sie Stifte, Techniken, Formate und Farben beherrschte. Anderen gefielen ihre Bilder, und so kam es zu Ausstellungen – zehn waren es bislang. Die erste und aufregendste Ausstellung fand in der Französischen Kirche statt, die nächste, die elfte, wird in Kassel sein. Sie sagt, dass mit der Malerei auch ihr Selbstwertgefühl wieder stieg und sie sich nicht mehr wegen ihrer Behinderung im Hintergrund hielt. Nein, sie ist wer. Und dieses Gefühl will sie nun auch ihren Schülerinnen vermitteln. Sie zeigt zu Beginn der Malstunde ihre Arbeiten, ihre Skizzenbücher und meint, wie selbstverständlich, dass die Damen das auch irgendwann können würden.
Nur mutig zum Stift gegriffen. Mit Lockerungsübungen der Hände und Kreise malen geht es los, dann wird nach ihren Vorlieben gefragt. Gisela Senewald entscheidet sich für die Landschaft. Wie geht man nur solch ein kompliziertes Gebilde an? Immerhin, ihre erste Zeichnung aus der vorigen Stunde war schon ein Familienerfolg. Ihr Enkel hat sich sofort die Arbeit gegriffen und zu Hause angepinnt.
Heidemarie Merz möchte die schönen Mohnblumen von der Blümel-Zeichnung abmalen, und Dita Fischer geht ein Porträt an. Sie ist schon ganz vom „Malvirus“ infiziert. Rosemarie Blümel stellt sich ganz auf ihre Schülerinnen ein, hilft, gibt den Bildern durch geschickte Korrekturen eine besondere Note und verwischt die Farben ein wenig. Während der Stunden schauen auch andere Bewohner einmal neugierig vorbei. Was machen die da? Könnte ich das auch? Die nächste Malstunde wird im Januar sein. Übrigens, sagt Rosemarie Blümel, ist der Kreis offen für Gäste – auch von außerhalb der Senioreneinrichtung. Dagegen hat auch Domizil-Direktorin Marianne Göttlicher nichts einzuwenden: „Kunst ist eben für alle da.“ Martina Krüger
Martina Krüger
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