zum Hauptinhalt

Links und rechts der Langen Brücke: Mutmacher

Michael Erbach über gleich zwei große Potsdamer Ereignisse in einer Woche und deren Bedeutung

Stand:

Gleich zweimal rückte in dieser Woche Potsdam ins Interesse der internationalen Öffentlichkeit. Am Mittwoch wurde dem dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard der Medienpreis des europäischen Mediengipfels M 100 Sanssouci Colloquium verliehen – im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Am Donnerstagabend las Thilo Sarrazin im Nikolaisaal erstmals öffentlich aus seinem umstrittenen Buch „Deutschland schafft sich ab“. Beide Ereignisse wurden von internationalen Medien begleitet – und von Polizeischutz. Natürlich waren die Sicherheitsmaßnahmen ungleich schärfer bei Westergaard, der nach seiner Mohammed-Karikatur im Jahr 2005 wegen der Drohungen von Islamisten rundum bewacht wird und bereits einen Mordanschlag überlebt hat. Was beide Ereignisse gemeinsam haben: Die Durchführung der Veranstaltungen war ein Plädoyer für Meinungsfreiheit – und Pressefreiheit, denn es wurde ausführlich berichtet. Dass dies alles keine Selbstverständlichkeit ist, wurde beim Mediengipfel M 100 deutlich. Maßgebliche Pressevertreter vor allem aus osteuropäischen Ländern beklagten restriktive Pressegesetze, knebelartige Arbeitsverträge, berichteten von psychischem Druck, Entführungen, Mord. Kritische Meinungsäußerung kann dort zur Gefahr für Leib und Leben werden. Da ist die Situation in Deutschland ganz anders. Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind ein verfassungsrechtlich gesichertes Gut, das gesellschaftlich anerkannt ist und weithin auch gelebt wird – auch wenn mancher Betroffener es nur zähneknirschend akzeptiert. Zudem gibt es genügend Möglichkeiten, auch die Presse an ihrer hohen Verantwortung für eine wahrheitsgemäße und faire Berichterstattung zu messen. Allerdings, und das wurde auf dem Mediengipfel deutlich, ist garantierte Pressefreiheit selbst hier in Deutschland längst kein Automatismus. Androhung von Strafanzeigen, Ausschluss von Journalisten aus Hintergrundgesprächen, das beabsichtigte Vorenthalten von Informationen und auch ökonomische Zwänge beeinträchtigen die Arbeitsbedingungen von Journalisten. Kritische Autorenschaft und Meinungsfreiheit, wie sie Westergaard oder Sarrazin – bei aller Unterschiedlichkeit und auch berechtigter Kritik – betreiben, haben sich in dieser Woche in Potsdam durchsetzen können. Das macht Mut auch für den Alltag in den Redaktionen.

Michael Erbach

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })