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Landeshauptstadt: Mutter will wegen Tram-Unfall klagen

Verkehrsbetrieb gibt sich kompromissbereit / Entscheidung über Anklage erwartet

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Dem Verkehrsbetrieb in Potsdam (ViP) droht wegen des tödlichen Tram-Unfalls vom vergangenen Sommer eine Schadensersatzklage der Mutter des jungen Opfers. Dies sagte Ilona G.s Anwalt Jörn Lassan den PNN auf Anfrage: „Wir prüfen, ob und wie wir den ViP für das Unglück in Haftung nehmen können.“ Vorstellbar sei die Erstattung von Kosten, die der arbeitslosen Frau durch den Tod ihres 17-jährigen Sohnes Marc-Philipp G. entstanden seien – etwa die Kosten der Beerdigung. Überdies werde in seiner Kanzlei geprüft, ob ein Anspruch auf Schmerzensgeld geltend gemacht werde.

Der tödliche Unfall hatte für Bestürzung gesorgt – und den Verkehrsbetrieb unter Druck gesetzt. Nach einem Volksfest am Bornstedter Feld hatte Marc-Philipp mit Freunden nach Hause fahren wollen. Bei der Haltestelle „Campus Pappelallee“ begann offenbar das Unglück mit der voll besetzten Tatra-Bahn: Zeugen wollen gesehen haben, dass der Jugendliche nach dem Einsteigen in die hintere Tür des ersten Tramwagens abgerutscht und aus der Bahn gefallen ist – während sie schon fuhr. In der Folge geriet der zum Zeitpunkt seines Todes alkoholisierte Junge unter den zweiten Wagen. Noch am Unfallort erlag er seinen Verletzungen. Gegen den Fahrer der Straßenbahn ermittelt die Potsdamer Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung.

Ein Gutachten der Dekra hatte jüngst offenbar den Verdacht nahe gelegt, dass möglicherweise die Sicherheitsautomatik an der Unglückstür ausgeschaltet war (PNN berichteten). Noch in diesem Monat will die Staatsanwaltschaft über den weiteren Fortgang des Verfahrens entscheiden, kündigte ihr Sprecher Christoph Lange an – ob also Anklage erhoben oder das Verfahren eingestellt wird.

Vor diesem Hintergrund sieht Jörn Lassan als Anwalt der Mutter auch die Verkehrsbetriebe in der Pflicht sich zu verantworten – schon aus einer moralischen Sicht heraus: „Der ViP hatte in einem Beileidsschreiben an meine Mandantin kurz nach dem Unglück ihr Hilfe angeboten, wenn sie welche benötige – allerdings hat sie trotz zweier schriftlicher Anfragen keine Antwort erhalten.“

Dagegen sagte gestern ViP-Chef Martin Weis, dass er diese zwei Briefe nicht kenne – nur ein Schreiben des erst vor kurzem von der Mutter beauftragten Anwalts. Deswegen stehe das Hilfeangebot weiter – das aber, falls gewährt, ausdrücklich nicht als Eingeständnis einer Schuld zu werten sei. So sei die Übernahme etwa der Beerdigungskosten „theoretisch“ möglich. Angesichts der Klagedrohung mahnte Weis jedoch auch einen „vernünftigen Umgang“ miteinander an.

Ilona G. geht es ein dreiviertel Jahr nach dem Tod ihres Sohnes nach eigenen Angaben immer noch „sehr schlecht“. Jedes Mal, wenn sie oder ihre Töchter die noch im Dienst befindliche Tatra-Bahn sähen, die ihren Sohn überrollte, käme „alles wieder hoch.“ Deswegen hofft sie auf ein Gerichtsverfahren – um „endlich“ zu wissen, was damals in der Nacht zum 15. Juli 2007 wirklich passierte.Henri Kramer

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