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Horst Girnt geht in den Ruhestand und schließt sein Geschäft im Waldstadt-Center: Nach 60 Jahren eine Pause verdient

60 Jahre lang verkaufte Horst Girnt allerhand Elektronik. Nach mehr als einem halben Jahrhundert schließt der 84-Jährige nun sein Fachgeschäft im Waldstadt-Center.

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Potsdam - Nach 60 Jahren ist Schluss: Horst Girnt, der für viele Potsdamer jahrelang Ansprechpartner in Sachen Unterhaltungselektronik war, verabschiedet sich in den Ruhestand. 60 Jahre – in diesem Alter sind viele Menschen schon längst in Rente. Girnt, heute 84 Jahre alt, eröffnete seine erste Werkstatt am 1. August 1956 in der Friedrich-Ebert-Straße. „Er war damals der jüngste Meister weit und breit“, erzählt seine Ehefrau Christa nicht ohne Stolz.

Denn nach zwei Ausbildungen – zum Rundfunkmechaniker und zum Autoelektriker – machte Horst Girnt seinen Meister als Rundfunkmechaniker und traf dann die Entscheidung, sich selbstständig zu machen. Von 1968 bis 1990 war er Innungsmeister, mehr als ein Dutzend junge Leute wurden bei ihm im Geschäft ausgebildet. Einer, der bei ihm in die Lehre ging als Rundfunkmechaniker, sei ebenfalls bereits in Rente gegangen, erzählt er stolz.

„Damals konnte man noch was reparieren lassen, heute wird ja alles neu gekauft“

Der Verkauf von Ware war in der ehemaligen DDR jedoch streng reguliert – in den Anfangsjahren konnten Elektronikgeräte bei den Girnts nur repariert werden. „Damals konnte man noch was reparieren lassen, heute wird ja alles neu gekauft“, ärgert sich Christa Girnt. Die heißen Röhren im Fernseher etwa, die gingen häufig kaputt und mussten dann ausgetauscht werden. Christa Girnt war von Anfang an involviert, sie fungierte als Ansprechpartnerin für die Kunden und kümmerte sich um die Buchhaltung.

Einen richtigen Boom erlebten die Eheleute nach der Wende: „In der DDR war ein Fernseher eine Superrarität. Nach der Wende wollte jeder den Farbfernseher“, erinnert sich Horst Girnt. „Der Bedarf war so groß, dass die Firmen gar nicht hinterher kamen.“ Der Verkauf von Fernsehgeräten riss lange Zeit nicht ab, zur Jahrtausendwende wechselten die Kunden ihre Röhrenfernseher gegen modernere Flachbildfernseher oder Plasmageräte ein.

Am 15. Juni 1995 siedelte das Geschäft dann in die Straße Am Kanal, seit 2005 findet man die Firma Girnt TV-Service im Waldstadt-Center. Hier hat es den beiden im Grunde genommen am besten gefallen. „Wegen der vielen Laufkundschaft“, erklärt Horst Girnt. Neben modernen Fernsehern gibt es im Geschäft beispielsweise Handys, Kabelzubehör und Kameras.

Seit fünf Jahren kann man in dem Laden der Girnts auch Passfotos anfertigen lassen oder Dokumente kopieren. Denn vom Boom nach der Wende ist mittlerweile kaum noch etwas zu spüren. Wer sich ein neues Gerät anschaffen will, kauft es online – und lässt sich eventuell zuvor im Fachgeschäft beraten, erzählt Christa Girnt. Doch zahlreiche Stammkunden halten ihnen die Treue – Potsdamer, die auf die fachkundige Beratung Wert legen und wissen, dass sie diese auch immer erhalten haben. Das rechnen die Girnts ihnen hoch an: „Wir möchten uns wirklich noch mal ausdrücklich bei all unseren lieben Stammkunden bedanken“, sagen beide.

"Jetzt ist es wirklich Zeit, zu gehen"

Das Gewerbe wurde zum 30. September abgemeldet. 60 Jahre und zwei Monate. „Nach 60 Jahren haben wir uns eine Pause verdient“, sagt Christa Girnt. Außerdem werde die Miete im Waldstadt-Center erhöht – nicht der ausschlaggebende Punkt, aber doch ein wichtiger. Die beiden Söhne Detlef und Bernd, die zwar viele Jahre lang mitgearbeitet haben, wollen das Geschäft nicht übernehmen. „Zu Anfang war der Gedanke mit Tränen behaftet“, sagt Horst Girnt. „Aber jetzt denken wir, es ist wirklich an der Zeit, zu gehen.“

Früher, da habe sie oft geseufzt: „Ich möchte einmal 14 Tage lang am Stück zu Hause sein“, sagt Christa Girnt. Jetzt ist es soweit. Die beiden freuen sich auf die freie Zeit, Horst Girnt will seinem seit 1962 betriebenen Hobby des Modellbaufliegens intensiver nachgehen, seine Frau freut sich darauf, den heimischen Garten zu pflegen. „Das Geschäft hat uns ja immer jung gehalten“, sagt er. Viel Urlaub hatten sie nicht, der Laden kam immer an erster Stelle. Ihre Ehe hat trotzdem gehalten, oder vielleicht gerade deswegen. Ein Jahr vor der Firmeneröffnung gaben sich die beiden das Jawort. Wieder so eine Zeitspanne, die man nur noch selten hört: 61 Jahre lang sind die Girnts verheiratet.

Anne-Kathrin Fischer

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