
© Andreas Klaer
In Potsdam spenden Hunde Blut für Artgenossen: Nach der Transfusion ein Leckerli
Maggy lässt die Prozedur geduldig über sich ergehen. In der Tierklinik Potsdam spendet die Hündin Blut für Artgenossen. Ihr Frauchen hofft auf Nachahmer.
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Potsdam - Blut zu spenden, ist für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit. Denn Ärzte sind dringend auf Blutkonserven angewiesen, um anderen helfen zu können. Das Gleiche gilt für Tierärzte: Auch ihre vierbeinigen Patienten benötigen Blutkonserven. „Bei großen Blutungen, zum Beispiel nach Autounfällen, brauchen Hunde schnell eine Transfusion“, sagt Thomas Hanisch von der Tierklinik Potsdam, Am Wildpark. „Ein anderer häufiger Fall sind Vergiftungen durch Rattengift, auch dann brauchen Hunde unverzüglich Blut.“
Aber wo bekommt man die Blutspenden her? Fragen kann man die Tiere schließlich nicht. Es müssen sich also Besitzer finden, die sich bereit erklären, ihre Vierbeiner in eine Spenderkartei aufnehmen zu lassen. Eine davon ist Sylvia Schulze: Die Hundezüchterin aus Potsdam hat fünf Collies, mit denen sie seit vier Jahren regelmäßig zum Blutspenden geht. „Ich hatte einen Aufruf zum Blutspenden bei der Anmeldung gelesen und dachte mir: Das ist eine Chance, um anderen zu helfen“, sagt Schulze.
Umgängliche Hunde zum Spenden gesucht
Doch nicht jeder Hund kann Blut spenden, die Voraussetzungen sind streng: Die Spendertiere müssen gesund, entwurmt, geimpft und zwischen zwei und acht Jahre alt sein. Sie dürfen noch nie im Ausland gewesen sein und noch nie selbst eine Transfusion erhalten haben. Außerdem müssen sie mindestens 20 Kilo wiegen. Der Grund dafür ist, dass die Menge Blut, die man kleineren Hunden bedenkenlos entnehmen kann, zu gering ist. Es gäbe es gar keine Beutel, die dafür klein genug wären, erklärt Hanisch: „Die Blutbeutel, die wir verwenden, sind die gleichen wie in der Humanmedizin.“
Maggy erfüllt alle diese Kriterien: Die vierjährige Hündin ist kerngesund und hat schon ein paar Blutspenden hinter sich. Das ist auch kein Problem, solange ihr Frauchen dabei ist und ihr den Kopf hält, wenn sie in bequemer Seitenlage auf dem Behandlungstisch liegt. Dann hält Maggy ganz still – und das muss sie auch, damit die Kanüle nicht verrutscht. Da Maggy sehr lange Haare hat, muss zuvor ein kleiner Fleck am Hals kahlgeschoren werden. 20 Minuten dauert die Prozedur, bei der jeweils 500 Milliliter Blut aus der großen Halsvene abgezapft werden. „Man braucht auf jeden Fall umgängliche Hunde zum Spenden“, sagt Hanisch. Zur Belohnung für ihre „Kooperation“ bekommen die Spender am Ende ein kleines Leckerli.
"Mit Katzen ist es schwieriger"
Doch was ist eigentlich mit Katzen und anderen Tieren wie Kaninchen oder Meerschweinchen? „Mit Katzen ist es schwieriger“, sagt Hanisch. „Da können wir nur Frischblut-Transfusionen machen, weil Katzen ein anderes Blutgruppensystem haben, ihr Blut ist weniger stabil.“ Mindestens vier Kilo müssen Katzen für eine Blutspende wiegen. Oft bekommen sie bei der Transfusion ein leichtes Sedativum, also ein Beruhigungsmittel, denn Katzen lassen sich schwerer ruhig halten als Hunde. Im Vergleich zu Hunden gebe aber wesentlich seltener Transfusionen bei Katzen in der Tierklinik: „Das Verhältnis ist etwa 1 zu 20“, sagt Hanisch.
Transfusionen für kleinere Tiere vom Hamster bis zur Schildkröte können in der Klinik jedoch nicht durchgeführt werden, so Hanisch. Da diese nur einen sehr kleinen Prozentsatz der behandelten Tiere ausmachen, ist es auch kaum möglich, eine Spenderkartei zu führen.
Der Bedarf in der Tierklinik Potsdam steigt
Mindestens einmal pro Woche muss in der Tierklinik eine Bluttransfusion durchgeführt werden, sagt Hanisch: „Und der Bedarf steigt.“ Ein Grund dafür ist, dass nicht jeder Tierarzt Transfusionen vornehmen kann: „Es spricht sich anscheinend herum, das wir in der Tierklinik die Möglichkeit dazu haben“, schätzt Hanisch. Eine andere Ursache für den wachsenden Bedarf an Blutkonserven seien neuartige Zeckenerkrankungen, die 2015 aufgetreten sind: „Dadurch gab es dieses Jahr eine Zunahme an Anämien, also Blutmangel“, sagt Hanisch.
Anders als in der Humanmedizin gibt es für Tierblut keine landes- oder auch nur stadtweiten Spenderkarteien mit großen Blutbanken. Solche Karteien existieren meist nur aufgrund der Eigeninitiative einzelner Ärzte und Kliniken. So wie im Fall der Tierklinik Potsdam, bei der rund 40 Hundebesitzer registriert sind (sowie drei Katzenbesitzer in einer Extra-Kartei). Nicht viel, wenn man bedenkt, dass in Potsdam rund 6000 Hunde angemeldet sind.
Besonders wichtig für die Ärzte sind Besitzer, die auch in Notfällen schnell zur Blutspende vorbeikommen können, denn nicht immer ist genügend Blut vorrätig. In Extremfällen muss ein tierischer Patient an die Tierklinik der Freien Universität Berlin überwiesen werden, wenn in Potsdam keine Blutkonserven vorhanden sind. 28 Tage ist eine Konserve haltbar.
Geesundheitscheck und Gutscheine für die tierischen Spender
Die Tierklinik ist dankbar für jeden Hundehalter, der sich in die Kartei eintragen lässt, denn im Laufe der Jahre fallen immer wieder Spendertiere aus Altersgründen weg. Er versuche aber niemanden dazu zu überreden, sagt Hanisch: „Der Besitzer muss selbst davon überzeugt sein.“ Immerhin erhält jedes Spendertier einen kostenlosen Gesundheitscheck, zudem gibt es als Dankeschön einen 50-Euro-Gutschein für Tierfutter, Medikamente oder medizinische Dienstleistungen der Tierklinik.
Für Sylvia Schulze und ihre Collies ist dies aber nicht der ausschlaggebende Grund: Für sie zählt der Solidaritätsgedanke. „Ich hoffe natürlich, dass auch meine Hunde im Notfall Blut bekommen können“, sagt Schulze. Außerdem mache ihren Hunden die Blutspende nichts aus: „Am Abend bekommen sie dann eine Extra-Portion Futter und am nächsten Morgen sind sie wieder fit“, sagt Schulze.
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