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Von Erhart Hohenstein: Nach jüdischen Bürgern benannt

Zuwanderer Alexander Gurzhy zeigt Ausstellung zu Potsdamer Straßennamen

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21 nach jüdischen Mitbürgern benannte Straßen gibt es in Potsdam. Das hat der seit 1995 in der Landeshauptstadt wohnende Alexander Gurzhy herausgefunden. Von einem Freund angeregt, fotografierte der in Charkow geborene promovierte Chemiker, als 73-Jähriger nun im Ruhestand, die Straßenschilder, ordnete ihnen Wirkungsstätten der Namensgeber zu und trug Kurzbiographien zusammen. Daraus ist eine Ausstellung entstanden, die gestern – kurz nach dem Jahrestag der Pogromnacht vom 9. November 1938 – im Rathaus eröffnet wurde. Die Tafeln sind im viel frequentierten Oberbürgermeisterbereich bis Jahresende zu sehen.

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) wies darauf hin, dass Potsdam mit 500 mehrheitlich aus Osteuropa zugewanderten Mitgliedern die größte jüdische Gemeinde in Brandenburg besitzt. Hier haben das Moses-Mendelssohn-Forschungszentrum, das Abraham Geiger-Kolleg zur Ausbildung von Rabbinern und die zentrale Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland ihren Sitz. Teil davon ist das von Yaakov Khaikin geleitete Kibuz (Kultur-, Integrations- und Begegnungszentrum). Es hat Gurzhys Vorhaben ebenso unterstützt wie der Verein „Potsdamer Kunstgenossen“ um Geschäftsführerin Vivianne Schnurbusch. Zudem werde in Potsdam eine neue Synagoge gebaut, unterstrich Jakobs. Im Streit darum gehe es ausschließlich um die Gestaltung des Neubaus. Dass eine Synagoge gebaut wird, darin seien sich die Kontrahenten einig.

Der Oberbürgermeister verwies darauf, dass das reiche jüdische Leben vor der Nazizeit für Wissenschaft, Kultur und Kunst in Potsdam mitbestimmend war. Diesen Stand gelte es wieder zu erreichen. Dazu stelle die Ausstellung „Jüdische Straßennamen“ einen Beitrag dar. Guzhy gibt damit auch vielen lang eingesessenen Potsdamern eine Lehrstunde, die sich des jüdischen Hintergrundes des Namens ihrer Straße nicht bewusst sind. So war eben nicht nur der alle überragende Naturwissenschaftler Albert Einstein jüdischer Herkunft, sondern auch die Physiker Lise Meitner, Niels Bohr und Max Born. Nicht alle haben in Potsdam gelebt, waren aber mit der Stadt verbunden. Dies trifft ebenso auf zahlreiche Filmgrößen der Babelsberger Ufa-Studios zu wie die Regisseure Fritz Lang („Metropolis“), Joseph von Sternberg („Der blaue Engel“), Erich Pommer, Billy Wilder („Manche mögen`s heiß“) und Ernst Lubitsch. Die glanzvolle Reihe von Schriftstellern geht von Heinrich Heine, der eine kurze Zeit in Potsdam lebte, über die Nobelpreisträgerin Nelly Sachs und Konrad Wolff bis zu Georg Hermann. Karl Marx fehlt ebenfalls nicht. Nur nach Lenin ist heute in Potsdam keine Straße mehr benannt.

Den Namen Am Heineberg setzt der Autor in seiner Liste etwas ab. Da tut er recht dran, denn der Berg steht mit dem Dichter nicht in Verbindung. Nicht aufgenommen hat Alexander Gurzhy die Ebräerstraße. Das ist ein bisschen schade, denn die ab 1786 nach jüdischem Hausbesitz so benannte Straße wurde 1934 von den Nazis umgetauft, erhielt aber 1993 ihre vormalige Bezeichnung wieder.

Der Autor hat seine Tafeln mit erläuternden Texten in Deutsch und Russisch versehen. Er stellte sie auf Russisch vor, und auch die anwesenden Mitglieder der Jüdischen Gemeinde bedienten sich vorwiegend dieser Sprache.

Das Video wurde uns freundlicherweise von PotsdamTV zur Verfügung gestellt.

Erhart Hohenstein

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