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Kritik an Potsdamer Klinik Sanssouci: Nach Schönheits-OP: „Das Gefühl zu ersticken“

In der Potsdamer Schönheitsklinik wollte sich eine junge Berlinerin ihre Brüste verkleinern lassen. Danach schwebte sie in Lebensgefahr. Die Klinik weist die Schuld von sich.

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Sie hätte sterben können. Als Sarah Enderlein * nach einer Operation in der privaten Potsdamer Klinik Sanssouci wieder aufwachte, litt die damals 23-Jährige an schwerer Atemnot. Wenig später diagnostizierten die Notfallärzte im kommunalen Bergmann-Klinikum, dass ihre beiden Lungenflügel kollabiert waren – ein lebensgefährlicher sogenannter Spannungspneumothorax. Wie es dazu kommen konnte, ist unklar. Möglicherweise wurde die Lunge verletzt. Mehr als eine Woche musste sie im Krankenhaus bleiben. Folgen der Operation, die jetzt anderthalb Jahre zurückliegt, spürt sie noch heute. Enderlein ließ sich damals ihre Brüste verkleinern, die sie seit ihrer Jugend immer mehr behinderten. 7700 Euro zahlte sie nach eigenen Angaben für den Eingriff.

Patientin geht gegen die Klinik vor

Für ihre Operation hatte Enderlein sich extra die seit 20 Jahren existierende private Potsdamer Klinik ausgesucht, die mit bester medizinischer Versorgung wirbt. Die ehemalige Patientin erhebt nun Vorwürfe gegen die Einrichtung und ihre Führungsspitze.

Damit ist sie nicht die Einzige. Die Klinik kämpft derzeit um ihr Image. Wie berichtet läuft am Landgericht Potsdam ein Verfahren, bei dem eine frühere Patientin die Klinik auf mindestens 50 000 Euro Schmerzensgeld verklagt, weil sie nach einer Bauchstraffung im April 2011 an äußerst schmerzhaften, schweren Verbrennungen im Gesäßbereich litt und nach eigenen Angaben noch immer mit Spätfolgen zu kämpfen hat.

"Ich hätte sterben können"

Den PNN-Bericht über die Gerichtsverhandlung las zufällig auch Sarah Enderlein. Daraufhin wandte sie sich an die Redaktion und schilderte, was bei ihrer Operation am 6. August 2013 passierte. „Als ich nach der Vollnarkose aufwachte, hatte ich das Gefühl zu ersticken“, sagt Enderlein. Die Unterlagen ihrer Behandlung liegen den PNN vor. Die Ärzte der Klinik Sanssouci schreiben darin, dass sich nach der Aufwachphase eine „verminderte Sauerstoffsättigung“ gezeigt habe. Auch der Spannungspneumothorax wird bestätigt, ohne jedoch eine Ursache zu nennen. Als Notfall wurde die junge Frau schließlich ins Bergmann-Klinikum gebracht – in ihre linke und rechte Körperseite wurden jeweils Schläuche in Richtung Lunge eingeführt, eine sogenannte Thoraxdrainage. „Die Ärzte sagten, ich hätte sterben können“, sagt Sarah Enderlein.

Erst acht Tage später konnte sie entlassen werden. „Starke Schmerzen hatte ich noch viel länger“, erinnert sich die Frau. Durch die Komplikationen hätten sich weitere Probleme ergeben, unter anderem wäre die Brust wieder angeschwollen, die Nähte aufgerissen – weitere Behandlungen seien nötig gewesen. Bis heute könne sie um ihre Brustwarzen herum nichts mehr spüren.

Klinik: Dabei handelt es sich um ein Restrisiko

Die Klinik Sanssouci kommentiert den Fall unter Verweis auf die ärztliche Schweigepflicht nicht. Der behandelnde Ärztliche Direktor Michael Krueger sagte den PNN auf Anfrage, allgemein gehöre ein Pneumothorax zum statistisch nicht wahrscheinlichen, aber eben doch möglichen Restrisiko eines solchen Eingriffs. Das werde Patienten bekannt gemacht. Bei so einem Fall handele sich um einen „schicksalshaften Verlauf“, der auch durch kleinere Verletzungen entstehen könnte. „Der Operateur muss nicht zwangsweise einen Fehler gemacht haben“, so Krueger.

Maxime der Klinik mit 50 Angestellten, darunter „ausgewiesene Spezialisten“, sei es zudem, auch nach Komplikationen die Patienten erstklassig zu betreuen, wie Krueger betonte. Auch Sarah Enderlein wurde dort später noch behandelt.

Bislang hat die Patientin nicht geklagt

Zudem könne es nach einer Brustverkleinerung bis zu fünf Jahre dauern, bis diese wieder ihre ursprüngliche Sensibilität erreicht habe, so Krueger. Der Klinikchef zeigte sich irritiert, dass sich die Patientin jetzt öffentlich erkläre – eine wie auch immer geartete Beschwerde liege jedenfalls bis heute nicht vor, ebenso kein Schreiben eines Anwalts.

Enderlein sagte, inzwischen erwäge sie wieder eine Klage. Nach der Operation habe sie sich von einem nicht auf Medizinrecht spezialisierten Anwalt beraten lassen, der von bis zu 7000 Euro Schmerzensgeld gesprochen habe – weniger als die Operation kostete. Angesichts der Unsicherheit, ob sie sich als Studentin der Sozialen Arbeit einen Prozess finanziell leisten könnte, habe sie sich schließlich dagegen entschieden. Zudem sei sie so kurz nach dem lebensbedrohlichen Erlebnis traumatisiert gewesen.

Verbraucherschützer und Patientenverbände kritisierten seit Langem, dass Patienten einen schweren Stand gegenüber Ärzten hätten, denn Behandlungsfehler müssen von den Betroffenen nachgewiesen werden.

Enderlein legt auf ein Detail Wert: Ein Arzt am Bergmann-Klinikum habe ihr gesagt, dass sein Haus schon mehrfach Komplikationen aus der Klinik Sanssouci habe ausbügeln müssen. Das Klinikum bestätigte das nicht – unter Verweis auf die ärztliche Schweigepflicht. Sprecherin Damaris Hunsmann sagte lediglich, dass man als einziges Krankenhaus der Schwerpunktversorgung in der Region häufiger Patienten aus anderen Kliniken übernehme. Der Ärztliche Direktor der Sanssouci-Klinik Krueger sagte, bei 2000 bis 3000 Operationen pro Jahr seien in den vergangenen Jahren weniger als ein Promille der Patienten im Anschluss in ein Akutkrankenhaus verlegt worden – also zwei bis drei Fälle. Derzeit seien vier gerichtliche Verfahren gegen die Klinik anhängig, so der Mediziner weiter.

Prozess um verbranntes Gesäß

Eines davon entscheidet sich am 17. Februar. Dann wird im Fall des verbrannten Gesäßes geurteilt. Der Anwalt der Betroffenen wirft der Klinik vor, Sorgfaltspflichten nicht eingehalten zu haben. So soll bei der Verwendung eines Geräts, das Wechselstrom durch den Körper des Patienten fließen lässt, damit nicht zu viel Blut austritt, ein Fehler passiert sein. Dieser Strom sei fehlgeleitet worden, was zu den Verbrennungen führte, so der Anwalt. Die Klinik weist diese Vorwürfe zurück und macht Unregelmäßigkeiten bei einer Wärmematratze verantwortlich, die zu heiß geworden sei und auf der die Patientin lag.

Vom Ausgang des Verfahrens will auch Sarah Enderlein ihre Entscheidung abhängig machen, ob sie klagt. Denn wütend ist sie noch immer – vor allem, dass ihr Krueger später als einzige Kompensation angeboten habe, zu besonderen Konditionen den Bauch zu straffen. Krueger bestritt das: Einen Grund für eine Kompensation, gleich welcher Art, habe es nicht gegeben. (* Name von der Redaktion geändert)

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