zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Nach Werder gewollt, in Potsdam gelandet

Eigentlich wollten die Golmer nie zu Potsdam gehören, doch das ist Vergangenheit. Heute steht der Ortsteil ganz im Zeichen der Wissenschaft

Stand:

Schnellen Schrittes läuft Simone Aubele durch die Golmer Geiselbergstraße. Beschwingt erklimmt sie die kleine Anhöhe vor der Kaiser-Friedrich-Kirche, geht an der hölzernen Storchenbank vorbei – von der aus man im Sommer den Vogel in seinem Horst auf einem alten Schornstein beobachten kann – und entschwindet im Wald des Reiherbergs. Aber schon wenige Minuten später kommt die junge rothaarige Frau wieder zurück, um in Richtung Wissenschaftspark zu laufen. So wie heute mache sie gern in ihrer Mittagspause eine Kurzwanderung, erzählt Aubele. Für die Berlinerin, die als technische Angestellte in einem molekularbiologischen Labor im Golmer Wissenschaftspark arbeitet, heißt es dann für ein paar Minuten: Kulturlandschaft statt Zellkultur.

Und in der Tat, wer den Reiherberg hinaufgewandert ist, wird mit einem weiten Ausblick in die Landschaft belohnt. Der nördliche Teil von Werder ist zu sehen, davor der Große Zernsee. Für die Einwohner von Golm muss das Gebiet jenseits der Havel noch vor wenigen Jahren so etwas wie das Gelobte Land gewesen sein: Vor zwölf Jahren, im Februar 2001, stimmten die Golmer in einem Bürgerentscheid mit über 80 Prozent für die Eingemeindung ihres Ortes nach Werder. Doch dazu sollte es nie kommen. Keine drei Jahre später, am 26. Oktober 2003, verleibte sich der große Nachbar im Osten das kleine Golm ein. Der Ort ist seitdem Teil der brandenburgischen Landeshauptstadt. Als schlechten Witz der Demokratie mögen das viele empfunden haben. Ulf Mohr, heute Ortsvorsteher von Golm, gab damals sogar eine Todesanzeige für Golm in einer Tageszeitung auf.

Doch inzwischen sei Golm gut integriert, sagt Mohr heute. Von der beachtlichen Infrastruktur Potsdams könne sein Ort nun profitieren. Ein wichtiges Argument für die Eingemeindung nach Potsdam war damals der sich gerade entwickelnde Wissenschaftspark. Wer auf der Welt kannte schon Golm oder Werder? Der Name Potsdam machte sich als Adresse der Wissenschaftler da schon wesentlich besser. Aber viele Forscher, die tagsüber im Wissenschaftspark arbeiten, fahren abends zurück in ihre Wohnungen nach Berlin. „Ich kenne gerade mal den Weg vom Bahnhof zur Arbeit“, bekennt ein Mann, der gerade in der Kantine der Max-Planck-Institute Mittag gegessen hat. Auch der 26-jährige Vasil Georgiev aus Bulgarien hat so seine Zweifel, was das Leben in Golm außerhalb des Wissenschaftsparks angeht: Seit einem Monat sei er am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung tätig, um seine Dissertation zu schreiben, sagt Georgiev. Momentan wohne er in der Straße Storchenhof am Ortsrand von Golm. Sein dortiges Zimmer möchte er gern gegen ein citynahes Domizil in Potsdam eintauschen. „Es ist ein bisschen langweilig hier“, sagt der Wissenschaftler über seinen derzeitigen Wohnort.

Nichts für die Langeweile, sondern für die besonders schönen Stunden, gar für den schönsten Tag des Lebens, hat hingegen das Gut Schloss Golm zu bieten: Gastronomie in landschaftlich reizvollem Ambiente. Dereinst sollen sich hier, direkt am Ufer des Zernsees, sogar Filmstars wie Marlene Dietrich oder Marika Rökk von ihren Dreharbeiten in Babelsberg erholt haben. Der wilde Wein an der Hauswand leuchtet an diesem Oktobertag im schönsten Herbstrot. „Den haben wir gleich als erste Amtshandlung hier angepflanzt“, erinnert sich Cora von dem Bottlenberg, die gemeinsam mit ihrer Partnerin Swetlana das Anwesen betreibt. Prominente kämen auch heute gern hierher, sagt von Bottlenberg. Von Alfred Biolek, dem Fernseh-Talkmaster und Gourmet, der einer der ersten Besucher nach der Wiedereröffnung in den 1990er-Jahren war, habe sie sogar zwei Rezepte bekommen, die nach wie vor auf der Karte stehen: Entenbrust mit Preiselbeer-Sahne-Sauce und ein lauwarmes Apfelragout mit Krokanteis-Parfait.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })