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Homepage: Nachhilfe für revoltierende Studenten Ein Insider berichtet über die Proteste in Frankreich

Ein landesweiter Streik aller Studierenden, eine Million Menschen auf der Straße – und das alles, um ein einziges Gesetz zu Fall zu bringen. Das war in Frankreich in den letzten Wochen Realität.

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Ein landesweiter Streik aller Studierenden, eine Million Menschen auf der Straße – und das alles, um ein einziges Gesetz zu Fall zu bringen. Das war in Frankreich in den letzten Wochen Realität. Aber ist so etwas auch bei uns möglich? Der AStA der Uni Potsdam scheint das im Stillen zu hoffen. Zumindest haben sich die Studierendenvertreter einen profunden Kenner der französischen Verhältnisse eingeladen, der den Potsdamer Studierenden eine Lektion in Sachen Jugend-Rebellion geben sollte. Gestern Mittag traf Antoine Pelletier vom Koordinierungs-Komitee der französischen Studenten-Proteste in Potsdam ein. Doch sein Vortrag fiel auf wenig fruchtbaren Boden.

Gerade einmal sechs Zuhörer hatten sich in den Theatersaal des Studentischen Kulturzentrums verlaufen. Eine Übersetzerin mühte sich redlich, die Begeisterung des Franzosen zu vermitteln – doch zur Revolution schien gestern niemand im Publikum aufgelegt zu sein.

Dabei könnte das Beispiel aus Frankreich Mut machen. Gemeinsam mit Schülern und Gewerkschaften brachten die Studierenden dort das umstrittene Kündigungsrecht im Ersteinstellungsvertrag zu Fall. Das CPE genannte Gesetz bringt Antoine Pelletier auf eine kurze Formel: „Arbeiten für wenig Geld und Klappe halten.“ Dagegen regte sich der Widerstand. Alle 144 Hochschulen des Landes waren wochenlang blockiert. Allein am 7. März demonstrierte eine Million Menschen im ganzen Land. Vor wenigen Tagen beugte sich die Regierung dem Druck und ließ das Gesetz fallen.

Wie ist so etwas möglich? Pelletier berichtet von den ersten Versammlungen in den Unis und der nationalen Koordinierung, die schließlich alle Streiks zusammenführte. Jede Uni schickte fünf Vertreter. Und die diskutierten sich dann tagelang die Köpfe heiß. „Unser Ziel war richtig, aber es hat keinen Spaß gemacht“, sagt Pelletier. „Viel Gerede, wenig konkrete Pläne.“ Nach jedem Treffen der Riesenversammlung fuhr er zurück zu seiner Uni und berichtete seinen Kommilitonen von den neuen Demonstrationsaufrufen und Fortschritten. Dann reiste er gleich wieder zur nächsten Großversammlung. Wochenlang.

Mittlerweile haben die Studenten Ferien und feiern ihren Triumph. Doch die Freude könnte von kurzer Dauer sein. Denn schon in drei Wochen beginnen die Prüfungen. Die Unis wollen keine Rücksicht auf die Streikenden nehmen, die wochenlang nicht lernen oder zur Vorlesung gehen konnten. Deshalb hofft Pelletier auf eine rasche Fortsetzung der Streiks – diesmal für eine Verschiebung der Prüfungen. Gestern hätte er aber vielleicht besser lernen sollen. In Potsdam jedenfalls beschränkte sich das Interesse auf ein paar höfliche Nachfragen. Bodo Baumert

Bodo Baumert

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