zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Nachhilfeunterricht für die Stadtspitze

Oberbürgermeister Jann Jakobs lernte bei einem Rundgang durch Potsdamer Forschungseinrichtungen viel darüber, was man im Rathaus optimieren könnte

Stand:

Das war keine Stadtwanderung, das war vielmehr ein Crashkurs. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) und die Beigeordneten der Stadt erhielten am Freitag beim Besuch mehrerer wissenschaftlicher Einrichtungen ein Update in Sachen innovativer Stadtverwaltung. Nach dem Besuch des Lehrstuhls für Public Management an der Universität Potsdam, des Hasso-Plattner-Instituts für Softwaresystemtechnik (HPI) und des Instituts für eGovernement am Neuen Markt konnte Jakobs feststellen, dass es in der Stadt eine geballte Kompetenz gibt, die von der Verwaltung noch viel zu wenig genutzt werde. „Das Gute liegt so nah“, sagte er nach vier Stunden Nachhilfeunterricht in effizienter, bürgernaher und moderner Verwaltungsorganisation.

Isabella Proeller vom Lehrstuhl für Public Management der Uni hatte der städtischen Delegation am Morgen bereits Ergebnisse einer Studie zur Nutzung von Kennzahlen – etwa Beschäftigunsgsituation, Finanzdaten und Ähnliches – in der Verwaltung verraten. Hier nahmen die Stadtoberen zum Beispiel mit, dass die Akzeptanz und der Prozess der Erhebung eine wichtige Rolle spielt. Jakobs erinnerte sich prompt an seine Zeit als Soziologe. Er war bei einem Projekt zur Sozialarbeit zu der Erkenntnis gekommen, dass zwei von über 20 Faktoren für eine belastbare Analyse ausreichten. Dies stieß allerdings auf großen Widerstand der Beteiligten. „Sie müssen es schaffen, die Menschen mitzunehmen“ bestätigte die Professorin Proeller. Das zweite, gerade angelaufene Projekt beschäftigt sich mit der Frage, wie Stadtverwaltungen städtische Betriebe effizient steuern können. „Sind die Ergebnisse schon da?“ , fragte Jakobs neugierig. Damit konnte die Professorin zwar noch nicht dienen, doch zumindest, dass informelle Beziehungen eine besondere Rolle spielen, wisse man bereits. „Wie die allerdings aussehen, wissen wir noch nicht“, so Proeller. Später stellte Jakobs fest, dass die Steuerung von städtischen Beteiligungen zu einer der größten Herausforderungen der Stadtverwaltung zählt. Man verständigte sich mit dem Lehrstuhl, dass eine Zusammenarbeit in dieser Frage möglich sein könnte. „Wir brauchen bei der Verwaltungsreform einen Qualitätsschub“, stellte Jakobs fest. Man müsse vom Fachexpertentum loskommen.

Dass dies nicht nur für Stadtverwaltungen gilt, lernte die Delegation dann im Hasso-Plattner-Institut (HPI). Uli Weinberg von der HPI School of Design Thinking erklärte, dass auch in der Wirtschaft umgedacht werden müsse. Die effektivste Arbeitsmethode sei eben die Teamarbeit: Die Leute aus ihren Büros herausholen, und in bunt zusammengewürfelten Gruppen mit flachen Hierarchien zu ganz neuen Ideen kommen lassen. Das erzählte Weinberg in einer weitläufigen lichtdurchfluteten Lounge, in der sich die Teilnehmer des Treffens auf bequeme Sitzgelegenheiten verteilten. Extrem entspannt fanden sie später – das wäre doch was, zwei Tage im Büro, den Rest in kreativer Gruppenarbeit. „Hier kann sich auch unsere Führungsebene Anregungen holen“, stellte OB Jakobs dann fest. Als Beispiel nannte er die Diskussion um das Leitbild der Stadt. „Das muss man nicht top-down entwickeln“, sagte der ganz offensichtlich von dem unkonventionellen Geist der IT-Leute angetane Jakobs.

Zwischendurch hatte man noch den interaktiven Fußboden aus einem anderen Forschungsprojekt kennengelernt. Das System kann Personen an ihren Schuhen erkennen. „Das brauchen wir im Stadthaus“, raunte der Verkehrsbeigeordnete Matthias Klipp einer Kollegin zu. „Zur Anwesenheitskontrolle“, gab die im Spaß zur Antwort. Doch der Boden kann auch ganz ernsthafte Aufgaben erfüllen, etwa in der Telemedizin. So könne in Zukunft über spezielle Fußböden beispielsweise von außen festgestellt werden, wie es einem kranken oder alten Menschen in seiner Wohnung geht. Patrick Baudisch, der die HPI-Projekte betreut, konnte dann noch eine Weltneuheit zeigen: eine Tischplatte, die Fingerabdrücke erkennen kann. Das könnte in Zukunft bei der Authentifizierung – etwa bei Bankgeschäften – zum Einsatz kommen.

Dass bei solcher Zukunftsmusik immer auch der Datenschutz und die Auswirkungen für die Gesellschaft beachtet werden müssen, wurde im Anschluss beim Besuch des Instituts für eGovernement (IfG.CC) am Neuen Markt deutlich. Bevor man ein neues computergestütztes System in einer Stadtverwaltung einführe, müsse man immer erst die organisatorischen Voraussetzungen dafür schaffen und die Folgen abwägen. „Sonst ist es wie bei Windstärke zehn ein Federkissen zu öffnen, um dann die Federn wieder einsammeln“, sagte Institutsdirektor Tino Schuppan. Das Institut hatte Jakobs Fantasie besonders angeregt. Vielleicht könne die IT-gestützte Verwaltungsarbeit die anstehende Reform des Öffentlichen Nahverkehrs mit den umliegenden Landkreisen voranbringen, sinnierte der OB. Hier sollte man zu Anfang aber betrachten, wer Vor- und wer Nachteile hat, empfahl Schuppan. Und dann erst einmal nur mit drei Partnern beginnen. Jan Kixmüller

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })