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Steffi Pyanoe.

© A. Klaer

Kolumne PYAnissimo: Name of paper? Beckenbauer!

PNN-Autorin Steffi Pyanoe schreibt in ihrer Kolumne in dieser Woche über ihre Reise nach Marrakesch - und ungewohnte Blickwinkel.

Stand:

Ich muss über Marokko schreiben. Es ist nämlich so: Die haben da am Flughafen Marrakesch jetzt eh meine Daten. Ich habe nämlich auf der Einreisekarte als Beruf Journalist angegeben. Schön blöd, aber das floss einfach so von allein aus der Feder, und als mich der Passkontrolleur schief durch das Fenster seiner Butze anschaute, war es zu spät, um Hausfrau einzutragen.

„Name of paper“, sagte der eindringlich und schob mir das Kärtchen wieder hin, während meine Reisebegleiter längst hinter der Absperrung fröhlich winkend verschwunden waren. Ich sah vor meinem inneren Auge schon die Schlagzeile: „Potsdamer Journalistin an marokkanischer Grenze minutenlang festgehalten“.

„Name of paper!“ wiederholte der Beamte. Ich verkniff mir „Menschenrechte Today“, quetschte brav „Potsdamer Neueste Nachrichten“ in die kleine Zeile, der Mann warf einen Blick drauf, war zufrieden und ließ mich passieren. Bei der Ausreise dasselbe Spiel, „Name of paper!“. Ich kann es mir zwar nicht vorstellen, aber falls doch mal jemand diesen Zettel liest und nach dem ,paper’ googelt, dann soll er auch was finden. Schreibe ich also über Marrakesch. Ich kann zurzeit sowieso kein Potsdamer Thema finden, das sich lohnt beziehungsweise das uns überraschen würde. Hier läuft alles wie gewohnt, Rücktritte, Baustellen, Vorteilsnahme, Kitaplätze beziehungsweise der Mangel an solchen, Streit um Kultursubventionierung und so weiter und so fort.

Zudem wird über streng geheime Dinge öffentlich geredet, zum Beispiel, dass Hasso Plattner Ehrenbürger der Stadt werden soll. Für ihn springt dabei auch was raus: Er könnte Rederecht im Stadtparlament beantragen und seine Anliegen dem Oberbürgermeister persönlich vortragen – oder war es umgekehrt? Egal, sollen sie machen, es gab ja schon lange keinen neuen Ehrenbürger mehr, der letzte war der Maler Siegwart Sprotte, davor Schlösserchef a. D. Hans-Joachim Giersberg und 1991 Friedrich Mielke. Nein, nicht der Stasi-Mann. Mielke ist studierter Treppenforscher. Keine Ahnung, wie er sich um Potsdam verdient gemacht hat. In Marrakesch jedenfalls hätte er seine Freude gehabt. Die Stadt ist ein Paradies für Treppenforscher. Dort gibt es alles, nur keine DIN-Stufe. Eine Challenge für Füße und Hirn, die mitteleuropäisches Normalmaß gewohnt sind. Während ich hier blind jede Treppe nehme, hätte ich mich in Marrakesch fast langgelegt auf dunklen, steilen Stiegen hoch zur letzten Dachterrasse, auf Gehwegen, die jeder Hausbesitzer in einem anderen Gefälle fliest, mit unsichtbaren, nur wenige Zentimeter hohen Absätzen oder hüfthohen Bordsteinen.

Wie schnell der Mensch durch wenige Zentimeter Abweichung ins Straucheln kommt. Oder, positiv gesehen, neue Blickwinkel ausprobieren darf. Das Maß aller Dinge – es ist jedenfalls nicht die DIN. „From Germany?“, fragte mich ein Kioskbesitzer. Ich bejahte. „Ah, Beckenbauer!“, rief er entzückt.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg

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