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Landeshauptstadt: Naturschutz contra Gartendenkmal

Zur Diskussion um den Umgang mit dem Weltkulturerbe am Beispiel des Babelsberger Parks

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Zur Diskussion um den Umgang mit dem Weltkulturerbe am Beispiel des Babelsberger Parks Von Christian Seidel Wieder einmal entzünden sich einige Geister am Park Babelsberg. Er scheint dafür prädestiniert zu sein – nicht erst seit 1989. In der Tat ist er ein exemplarisches Beispiel: Nicht in dem Sinn, wie es die Fraktion „Die Andere“ sieht, wohl aber als einen Indikator dafür, wie die Stadt Potsdam mit dem Weltkulturerbe „in ihren Mauern“ umgeht. Anders als mancher Kommentator zum wiederholten Vorstoß der „Anderen“ bin ich nicht der Meinung, dass hier ein Kompromiss zu suchen sei; eher ist es notwendig, Klarheit zu finden, Wertmaßstäbe zurechtzurücken und Prioritäten zu setzen. Um das reale Problem einordnen zu können, ist eine etwas allgemeinere Sicht notwendig. Potsdam hat sich als Thema für 2004 das „Jahr der Parks und Gärten“ gegeben. Schaut man vom Pfingst- oder Ruinenberg herunter, dann wächst Potsdam als grüne Stadt aus den Havel- und Nutheauen heraus. Neben vielgestaltigem Stadtgrün an Straßen und Plätzen und Wäldern im Außenbereich wird das Erscheinungsbild Potsdams auch durch eine große Zahl unterschiedlichster Gärten geprägt: angefangen von Vor- und Hausgärten, über Gartenkolonien bis zu den ehemaligen königlichen Gärten, die die Stadt nahezu in einem Kranz umspannen und in Glienicke bis nach Berlin hinüberspringen. Dieses Erscheinungsbild auch für die Zukunft zu sichern, das ist eine der vornehmsten Aufgaben von Stadtentwicklungspolitik in Potsdam. Natürlich treten dabei Interessen- und Zielkonflikte auf, die verantwortungsvoll abzuwägen sind. Desto wichtiger ist es, nach den spezifischen Eigenheiten Potsdams zu fragen, die den unverwechselbaren Charakter der Stadt ausmachen. Gärten und Grün besitzen auch andere Städte, auch große Parkanlagen. Jedoch ist nur selten, wie hier zwischen Havelseen und einfassenden Bergrücken noch der ursprüngliche Zusammenhang zwischen Natur, Kulturlandschaft und Stadtraum direkt zu erleben. Das ist das Pfund, mit dem Potsdam wuchern kann und das es sorgsam zu schützen gilt. Dies ist einer der so genannten weichen Standortfaktoren, mit denen Potsdam nahezu unschlagbar ist. Die Ansiedlung großer Unternehmen an exponierter Stelle wie der Schiffbauergasse belegt es. Mit der gebotenen Bescheidenheit haben wir festzustellen, dass dieses Potenzial der Stadt, man kann es auch einfach ihre Schönheit nennen, nicht unser Verdienst ist. Die jetzt verantwortliche Generation hat es treuhänderisch übernommen und sie wird von den Nachfahren danach beurteilt werden, was sie damit gemacht hat – verbraucht, bewahrt oder vermehrt? Eigentlich überflüssig, aber vielleicht ist es doch hilfreich daran zu erinnern, dass der Nukleus für die einmalige Schönheit Potsdams ein nach der Order von Friedrich II. angelegter Garten war, genauer gesagt ein Weinberg – zunächst noch ohne das Lustschloss, dessen Name „Sans-Souci“ zum Synonym für Potsdam werden sollte. Knapp ein Jahrhundert später legte Lenné 1833 seinen von einer ganzheitlichen Idee geprägten „Verschoenerungs-Plan der Umgebung von Potsdam“ vor – ein Master-Plan, der dazu führte, dass die Stadt Potsdam heute von kunstvoll gestalteten Parks und Wäldern umgeben ist, die durch vielfältige Sichtbeziehungen miteinander verknüpft sind. Auch wenn es zu fast allen Zeiten schmerzhafte Verluste und Eingriffe in das einmalige Gefüge gab, so hat es neben der Gunst der geographischen Bedingungen vermutlich auch die Lage im Schatten der Metropole ermöglicht, dass Potsdam ein märkisches Arkadien geblieben ist. Die Gärten wurden nicht von der wachsenden Stadt überrollt und „eingemauert“ – ein Schicksal vieler stadtnahen Parkanlagen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. So ist die Grundidee des „Verschoenerungs-Plans“ und viele der von Lenné und Fürst Pückler angelegten Sichten heute noch erlebbar. Die höchste Anerkennung dieses von uns verwalteten Wertes erfolgte wenige Monate nach der Wiedergewinnung der staatlichen Einheit mit der Eintragung der „Schlösser und Gärten von Potsdam und Berlin“ in die Unesco-Welterbeliste – eine Ehre und zugleich Verpflichtung zur Erhaltung und Instandsetzung der Schlösser, Villen und Parkanlagen entsprechend der Unesco-Konvention. Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Preußisch Grün“ im Schloss Glienicke, in der u. a. auch die umfangreichen Arbeiten zur Rekonstruktion der durch die Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR im Park Babelsberg zerstörten Bereiche dokumentiert werden, haben die für kulturelle Angelegenheiten zuständigen Ministerinnen von Bund und Land unlängst unterstrichen, dass es sich bei den Parkanlagen des Weltkulturerbes in erster Linie nicht um Grünanlagen, sondern um Denkmale handelt, die genau so restauriert werden müssen wie Skulpturen oder Gemälde – nur mit dem Unterschied, dass dies bei Gärten ein ständiger Prozess ist, der keinen Endzustand kennt. Besser lässt es sich nicht auf den Punkt bringen. Das Problem beginnt allerdings dann, wenn z.B. eine Biotopkartierung einen Zustand zum Tag X festschreiben will, dann zwar den vom Menschen unbeeinflussten Aufwuchs von Stangenholz in Kauf nimmt, gartendenkmalpflegerische Eingriffe jedoch unterbinden will, die in der Regel zu artenreicheren Biotopen führen. Damit wird aber nicht nur die Zerstörung der Ursprungsbiotope in Kauf genommen, sondern auch der Bestand von Parkanlagen als Denkmal in Frage gestellt. Auch wenn es aktuell vordergründig um den Park Babelsberg geht, sollte niemand auf den Gedanken kommen, eine „lex barberow“ zu konstruieren – in Sanssouci, dem Neuen Garten, am Pfingstberg, in Sacrow wird weiterhin auch die Parkpflege „mit der silbernen Axt“ notwendig sein. Da sich das Problem Naturschutz gegen Denkmalschutz – wie der aktuelle Fall zeigt – nicht aussitzen lässt, sondern die Relationen der jeweiligen Wertigkeiten in eine Schieflage zu geraten drohen, möchte ich die Stiftung preußische Schlösser und Gärten ermutigen, dazu eine grundsätzliche Klärung auf der Ebene der zuständigen obersten Behörden zu forcieren. Es kann nicht angehen, dass eine Einrichtung, die nicht mehr und nicht weniger tut, als den Verpflichtungen zur Pflege des Weltkulturerbes nachzukommen, aus Unverständnis oder Ignoranz diffamiert wird. Es wäre auch nicht zu vermitteln, wenn notwendige und mögliche Rekonstruktionsarbeiten in den Parkanlagen verzögert würden. Die Stadt Potsdam sollte ihren wichtigsten Werbeträger in diesem Bemühen mit allen Kräften unterstützen und das ihre tun, damit Gärten und Schlösser weiterhin von der Einmaligkeit des Arkadiens an den Havelseen künden können. Christian Seidel ist SPD-Mitglied und Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen

Christian Seidel

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