Landeshauptstadt: Neofolk-Konzerte nach Warnung der Antifa abgesagt
Auftritte einer umstrittenen englischen Band waren im Marquardter Schloss und in der Kirche des Ortsteils geplant
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Marquardt - Große Aufregung im Marquardt: Nach einer Warnung der Antifa vor vermeintlichen Neonazi-Konzerten im Raum Potsdam sind zwei dort für das Wochenende geplante Auftritte abgesagt worden. Die Veranstaltungen waren für Samstag und Sonntag in der Kirche und im Schloss Marquardt geplant – die Absagen bestätigte am Montag der für die vorgesehene Vermietung mitzuständige frühere Ortsvorsteher Wolfgang Grittner.
Was war passiert? Am Montagmittag hatte die Gruppe Antifaschistisches Pressearchiv Potsdam (Apap) eine Mitteilung ins Internet gestellt: „Neonazikonzert am 5./6. Juli für den Raum Potsdam angekündigt“. Bezogen wurde sich auf eine Ankündigung der englischen Band „Fire & Ice“, die gerade durch Europa tourt und in Städten wie Oslo, Moskau oder London auftritt. Für Potsdam/ Berlin waren Auftritte in „geheimen historischen Orten“ vorgesehen, die den Besuchern kurz vorher mitgeteilt werden sollten. „Die Karten werden auf 100 Stück begrenzt sein, um der Größe des Ortes und der vertraulichen Stimmung zu entsprechen“, hieß es auf der Internetseite.
Die Antifa teilte dazu mit, „Fire & Ice“ sei keine Band, „die harmlose esoterisch-angehauchte Folk-Musik verbreitet, sondern eindeutige neonazistische, rassistische, antisemitische und andere menschenverachtende ideologische Versatzstücke transportiert“. So sei der Sänger der Band, Ian Read, Anhänger einer Neonazibewegung, die sich unter anderem für Heidentum und Okkultismus interessiere, so die Antifa. Unter anderem wurde eine Aussage von Read zitiert, die Deutschen hätten einen „riesigen Komplex“, der ihnen von einer „Nachkriegsgehirnwäsche eingeimpft“ worden sei. Anderswo erklärte Read, er wolle ein Netzwerk von „höherstehenden Menschen“ quer über den Planeten aufbauen. Zu ihrer Warnung stellte die Antifa Fotos der Veranstaltungsorte ins Internet, die „Fire & Ice“ im Netzwerk „Facebook“ veröffentlich hatte. PNN-Recherchen ergaben kurz darauf: Die Bilder zeigten die Innenräume von Schloss Marquardt und der Kirche im Ortsteil. Für das Schloss Marquardt reagierte Betreiber Mike Sprenger überrascht: „Das war unser erster Versuch hier ein Konzert zu veranstalten.“ Die Räume seien von einem externen Veranstalter angemietet worden. Sprenger sagte, er sei von einem harmlosen Folklore-Konzert ausgegangen. Nach dem PNN-Anruf habe er selbst recherchiert – und sich auch angesichts der Warnung der Antifa zur Absage des Konzerts entschlossen: „Wer will schon solchen Ärger haben?“ Ähnlich äußerte sich Grittner, die Hinweise auf den rechten Hintergrund der Band nehme er ernst.
Der Veranstalter der Konzerte – seinen Namen nannte er wegen befürchteter Anfeindungen von Seiten der Antifa nicht – teilte den PNN auf Anfrage schriftlich mit, die Absagen der Konzerte – es waren nur noch einige wenige Karten erhältlich – sei „sehr bedauerlich“. Andererseits müsse man damit rechnen, wenn umstrittene Künstler Konzerte geben, so der Veranstalter. Schon mehrfach hatte die Antifa auch anderswo in Deutschland Bands aus der sogenannten Neofolk-Szene – zu der auch „Fire & Ice“ gehören – rechte Tendenzen unterstellt, Musiker und deren Fans hatten das wiederholt bestritten. Der Veranstalter teilte mit, genau wegen solcher Erfahrungen aus der Vergangenheit habe der Kartenverkauf für Marquardt nicht öffentlich stattgefunden. „Das ist natürlich ein Teufelskreis. Denn ein solches Vorgehen verstärkt natürlich noch die Vermutung, dass an den Vorwürfen der Antifa, die Musiker wären allesamt Nazis, etwas dran ist. Man kann nur immer wieder schreiben, dass dem nicht so ist – aber ändern wird es letztendlich nichts, weil nicht zugehört wird und auf beiden Seiten der Wille zum Dialog mittlerweile ermüdet ist.“ Der Veranstalter erklärte weiter, die Musik von „Fire & Ice“ werde auch bei Händlern wie Amazon verkauft.
Bei der Potsdamer Polizei und beim Verfassungsschutz des Landes konnte man sich am Montag kurzfristig nicht zu einer Bewertung der Band äußern. Die Antifa jedenfalls zeigte sich gewiss: Man müsse über Neonazis aufklären, „die sich als harmlose Musiker inszenieren“. HK
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