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Regionalforscher dachten über schrumpfende Städte und Regenerierung nach
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Dass die Städte in der ostdeutschen Provinz schrumpfen, ist bekannt. Doch, dass es parallel dazu in anderen Städten auch Aufwärtstrends und Ansätze von Regenerierung gibt, geht oft in der laute Klage um die sterbenden Randregionen unter. „Die Entwicklung von Schrumpfung und Regenerierung verläuft parallel“, erklärte Dr. Manfred Kühn vom Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung Erkner (IRS), das die internationale Tagung „Regenerierung der Städte – Strategien in der postsozialistischen Transformation“ im Potsdamer Kutschstall initiiert hatte. Bestes Beispiel für Regenerierung, so IRS-Leiterin Prof. Heiderose Kilper, sei der Tagungsort selbst. Denn in Potsdam finden sich zentrale Elemente der postsozialistischen Transformation von Städten wieder: Kultur, Medien, Sport, Tourismus, Bildung, Forschung und wissensbasierte Dienstleistungen.
Diese Bereiche sind es dann auch, die Regionalforscher Kühn für beispielhafte Regenerierungsprozesse in Großbritannien anführt. Nordenglischen Städte wie Manchester, Sheffield und Liverpool seien hervorragende Beispiele für den Strukturwandel postindustrieller Städte. Auch dort habe sich ein Nebeneinander von wachsenden und schrumpfenden Städten ausgebildet. In Ostdeutschland seien nun gerade die Mittel- und Kleinstädte vom Niedergang betroffen, während einige Wachstumsinseln übrig blieben bzw. sogar wachsen würden.
Dr. Günter Herfert vom Institut für Länderkunde Leipzig konnte fünf Wachstumskerne in Ostdeutschland präzisieren: Rostock, Berlin (mit Potsdam und Umland), Dresden, Leipzig und die Städte im Umfeld von Erfurt. Herfert macht generell einen Trend zur Rückkehr in die Städte aus. Die Suburbanisierung, die in den 90er Jahren durch staatliche Förderung die Menschen förmlich an die Stadtränder gesogen habe, sei bis auf den Großraum Berlin beendet. Und auch um Berlin sei die Entwicklung deutlich rückgängig. „Allerdings sind es nicht die Familien, die nun in die attraktiven, größeren Städte ziehen, sondern junge, meist hoch qualifizierte Zuzügler“, erklärte Herfert. Interessant sei dabei auch, dass die ostdeutschen Kernstädte nun wieder verstärkt für Menschen aus den neuen Bundesländern attraktiv würden. Nur ganz nebenbei bemerkte der Geograph, dass die These von der erhöhten Abwanderung von Frauen aus dem Osten nicht stimme. „Es sind in den 90er Jahren etwa ebenso viele Frauen wie Männer weggegangen, nur zogen andersherum mehr Männer als Frauen aus dem Westen nach Osten“, so Herfert.
Wesentlich für die gegenwärtigen Zuzüge der so genannten „Bildungswanderer“ sind nach Ansicht der Experten die Hochschulen als „Wachstumsbringer“. Allerdings müsse die Kooperation der Wirtschaft mit den Hochschulen noch „wesentlich stärker“ als bislang forciert werden, sagte Dr. Peter Franz vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle. „Ein institutionelles Hindernis dabei ist, dass die Hochschulen noch zu stark in den Händen der Länder sind“, so der Forscher. Wachstum an Hochschulstandorten entstehe zudem nur dort, gab Günter Herfert zu bedenken, wo die Studierenden nach dem Studium auch bleiben – und die Wirtschaft nahe ist. „Cottbus beispielsweise ist nur ein Durchlauferhitzer“, sagte Hefner. Einerseits treffe man hier auf viele junge Studenten, andererseits würden aber schon in der nächsten Altersstufe die Zahlen wegbrechen.
Dr. Peter Franz lenkte zusammen mit seiner Kollegin Heike Liebmann vom IRS den Blick auch auf die weichen Standortfaktoren – von sozialer Infrastruktur über Kultur bis hin zu Gastronomie und Freizeit. Sie würden neben der demografischen Entwicklung und Fragen des Stadtumbaus eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Städte spielen.
Der Vergleich mit aufstrebenden postindustriellen Städten in den USA wiederum habe gezeigt, dass solche Städte sich komplett neu erfunden hätten. Wobei das Neue auch alte, lange Zeit stillgelegte Entwicklungspfade sein können. So hat etwa Dr. Thomas Kuder (IRS) in Erfahrung gebracht, dass beispielsweise Gotha an seine Tradition als Residenzstadt anknüpfe, Greifswald auf die wieder belebte Universitätsstadt und Riesa auf die Sportstadt zurückgreife. „Angesichts des Problems der Schrumpfung ist eine integrierte Stadtentwicklungspolitik heute von wesentlicher Bedeutung“, so Kuder.
Unterm Strich kamen die Experten zu dem Schluss, dass die Großstädte die Gewinner und die alten Industriestädte sowie ländliche Räume die Verlierer der Entwicklung sind. Konsens war, dass eine Strategie die „Stärken stärken“, also die prosperierenden Kernstädte fördern müsste. „Wir müssen die Städte stärken, damit dort die Infrastruktur nicht zusammenbricht“, so Herfert. Die mittleren Städte zu stärken sei hingegen eine Vergeudung von Fördermitteln: „Jetzt fließt viel Geld in die Mittelzentren, die in ein paar Jahren dann wieder zurückgestuft werden.“
Manfred Kühn fasste zusammen, dass auch in den Städten selbst der Fokus auf die Zentren gelegt werden sollte: Die Lebensqualität in den Innenstädten müsse verbessert werden. „Bei einer rückläufigen Bevölkerungsentwicklung müssen Prioritäten gesetzt werden“, resümierte Kühn. Darüber hinaus müssten sich, so Heike Liebmann, die Städte neu definieren. Neue Wirtschaftsstrukturen könnten gerade auch im Kulturbereich entstehen. Der Kultur komme neben Bildung und Wissenschaft eine Schlüsselrolle zu. Allerdings darf man von all diesen Veränderung keine Wunder erwarten. „Es ist abzusehen, dass selbst Städte, die zukünftig von Industrien mit innovativen Produktzyklen profitieren sollten, keinesfalls wieder jene hohen Anteile an Industrie-Beschäftigten erreichen werden“, schloss Peter Franz.
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