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Aus dem GERICHTSSAAL: Neubauer ohne Land

Der 98-jährige Erich Müseler konnte seine Eigentumsansprüche nicht durchsetzen

Stand:

Der mittlerweile 98-jährige Erich Müseler wird seine Groß-Glienicker Äcker nicht zurückerhalten. Dies machte gestern vor der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam der Vorsitzende Richter Ralf Leithoff schon in der mündlichen Verhandlung deutlich. Müselers Großneffe, an den der Bauer die Eigentumsansprüche übertragen hat, zog daraufhin die Klage auf Rückgabe der 11 Hektar großen Fläche im so genannten Seeburger Winkel zurück. Beklagter war der Potsdamer Oberbürgermeister, der in der Verhandlung durch Monika Hagen, die Leiterin des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen (ARoV), vertreten wurde.

Damit nähert sich ein kurioser Rechtsfall seinem Ende. Schon als Erich Müseler 1946 aus Gutsbesitz 14 Hektar Bodenreformland erhielt, schwebte darüber noch unsichtbar ein Damoklesschwert. Die englischen Besatzer hatten zur Arrondierung ihres Militärflughafens Gatow nämlich bereits Monate zuvor einen Gebietsaustausch mit den Russen vereinbart. Davon erfuhr der Neubauer aber erst 1951, als die Vereinbarung in Kraft trat. Plötzlich befanden sich Wohnhaus und etwa 3000 Quadratmeter Hoffläche im britischen Sektor von Berlin, Scheune und Äcker dagegen auf DDR-Gebiet. Auch zehn andere Neubauern in Grenznähe wurden in dieses Dilemma gestürzt. Sie waren die einzigen DDR-Bürger, die in den Westen gelangten, ohne ihre Wohnung zu wechseln. Ein paar Monate durfte Erich Müseler sozusagen im „kleinen Grenzverkehr“ noch hinaus auf seine Äcker, dann wurde ihm dieser Weg versperrt. Die DDR vereinnahmte seine Ländereien und schlug sie später der LPG „Ernst Thälmann“ zu.

Ist dem Neubauern, der seit 1990 ergebnislos um die Rückgabe kämpfte, Unrecht geschehen? Die Gerichte sehen das nicht so. Bodenreformland sei nur als „Arbeitseigentum“ zur Verfügung gestellt worden; wer seine Neubauernstelle aufgab, musste es wieder abtreten. Dass Müseler keine Chance hatte, sein Land weiter zu bewirtschaften, spiele dabei keine Rolle. Er kannte dieses Risiko und hätte die Wahl gehabt, wie angeboten in die DDR zu übersiedeln. Auch „unlautere Machenschaften“, wie der Kläger geltend machte, hätten den Bauern nicht um sein Land gebracht. Schließlich seien die Grenzzäune nicht in der Absicht gezogen worden, Müseler zu vertreiben.

Der Großneffe will versuchen, wenigstens für den Berliner Teil des Besitzes die Ansprüche aufrecht zu erhalten. Aber das geht Potsdams nichts an, dafür ist das dortige Verwaltungsgericht zuständig. Zufrieden mit dem Ausgang der Verhandlung waren die heutigen Nutzer der einst von Erich Müseler bewirtschafteten Felder und Wälder, neben der AroV u.a. die Straßenbauverwaltung des Landes Brandenburg und die Brandenburgische Bodenverwertungs- und Verwaltungs GmbH. Entschädigungsansprüche drohen ihnen nun nicht mehr. E. Hoh

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