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Landeshauptstadt: Neue Debatte um Videoüberwachung am Hauptbahnhof Statistik: Wo Kameras filmen, sinkt Zahl der Straftaten – dafür gibt es mehr im Umfeld

Innenstadt - Seit mehr als zehn Jahren wird der Außenbereich des Potsdamer Hauptbahnhofs videoüberwacht. Doch die Bilanz fällt mager aus.

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Innenstadt - Seit mehr als zehn Jahren wird der Außenbereich des Potsdamer Hauptbahnhofs videoüberwacht. Doch die Bilanz fällt mager aus. Polizeigewerkschaft und Linke fordern nun erneut den Abbau der Kameras am Hauptbahnhof. Sie halten die Maßnahme für wirkungslos, weil die Kriminalität nur verlagert wird. Das brandenburgische Innenministerium und die Polizeiführung dagegen haben das Projekt dagegen stets verteidigt: weil im überwachten Bereich weniger Straftaten festgestellt wurden.

Tatsächlich sind die Zahlen für den von den Kameras erfassten Bereich eindeutig, wie aus dem alljährlichen Bericht des Innenministeriums hervorgeht. Nach dem Gesetz muss das Ministerium den Landtag regelmäßig über Maßnahmen der verdeckten und offenen Datenerhebung durch die Polizei informieren, es geht um Telefonüberwachung, die elektronische Erfassung von Autokennzeichen, aber auch um Videoüberwachung.

Am Potsdamer Hauptbahnhof ist demnach die Zahl der Straftaten um rund die Hälfte zurückgegangen. Im Jahr 2001, als die Überwachungsanlage zunächst in einem Probeprojekt in Betrieb genommen wurde, waren 234 Straftaten in dem Bereich festgestellt worden, 2003 waren es noch 182. Seit 2006 schwankt die Zahl um die hundert pro Jahr, mal waren 118, 82 oder 104. Im Jahr 2011 waren es glatt einhundert Straftaten. In der Regel sind es Fahrraddiebstähle von Potsdams bestbewachten Fahrradabstellplatz, an dem Pendler ihre Drahtesel abstellen. Aber auch Gewaltdelikte wie Schlägereien unter Jugendlichen und Sachbeschädigungen gehören dazu. Aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor.

Laut Polizeigesetz kann die Polizei zur Videoüberwachung greifen, wenn und solange „aufgrund von Lageerkenntnissen davon ausgegangen werden kann, dass an diesen Orten vermehrt Straftaten drohen“. Die Polizei muss darlegen, warum aufgrund konkreter Erkenntnisse davon auszugehen ist, dass an diesen Orten vermehrt Straftaten drohen. An Bahnhöfen ist jeden Tag eine größere Zahl von Menschen unterwegs, nachts ist er Anlaufpunkt für Jugendliche, die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Straftaten kommt, ist relativ hoch. Aber Andreas Schuster, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Brandenburg, sagt: „Da sind überall Schilder, die auf die Videoüberwachung hinweisen, jeder, der dort ein Fahrrad klaut, muss entweder bekloppt sein oder versteckt sich unter einer Kapuze.“

Auffällig ist eine weitere Statistik, die Zweifel am angeblich positiven Effekt der Videoüberwachung bestätigt. Im angrenzenden Bereich zum Bahnhof verzeichnete die Polizei zunehmende Kriminalität. Um 27 Prozent ist dort die Zahl der Straftaten gestiegen. 2003 waren 764 Fälle im angrenzenden Bereich registriert worden, 2011 waren es 972. Für das Jahr 2009 sind sogar 1082 Straftaten erfasst, das wäre in Anstieg um 42 Prozent im Vergleich zu 2003. Ein klarer  Verdrängungseffekt finden GdP-Chef Schuster und Jürgen Scharfenberg, Fraktionschef der Linken im Potsdamer Rathaus und Innenexperte der Linksfraktion im Landtag. Statt direkt am Bahnhof werden die Straftaten im Umfeld begangen. Deshalb fordern Schuster und Scharfenberg, die Kameras am Bahnhof müssen abgeschaltet werden. „Wir waren schon immer gegen die Videoüberwachung im öffentlichen Raum“, sagt Scharfenberg. „Die scheinbaren Erfolge am Bahnhof werden infrage gestellt durch die steigende Verdrängungskriminalität.“ Zudem könne der Rückgang der Straftaten am Bahnhof nicht nur auf die Videoüberwachung zurückgeführt werden, weil in Potsdam insgesamt weniger Straftaten festgestellt werden. 2003 waren es 21 669, im Jahr 2011 dann 17 469, ein Rückgang von fast 20 Prozent.

Schuster beklagt zudem, dass für eine effektive Videoüberwachung das Personal fehlt. Eigentlich wären sieben Beamte pro Tag nötig, um den Außenbereich des Bahnhofs über die Bildschirme rund um die Uhr zu überwachen, die Kameras zu bedienen und im Bedarf Einsatzkräfte zu alarmieren, wenn ein Fahrraddieb oder eine Schlägerei beobachtet wird. „Das erwartet der Bürger zu Recht“, sagt Schuster. „Stattdessen ist es nur eine Nebenbeiaufgabe, es wird nur etwas gesehen, wenn gerade ein Beamter hinschaut“, sagt Schuster.

Das passt zu einem Fall von Anfang Dezember 2012. In den frühen Morgenstunden wurde ein 27-Jähriger in der Nähe des Taxistandes beim Busbahnhof zusammengeschlagen. Er hatte sich eingemischt, als eine Gruppe von jungen Männern einen Obdachlosen bedrängte. Der 27-Jährige wurde selbst zum Opfer, Hilfe durch Polizei und einen Arzt lehnte er ab. Als er es sich Tage später anders überlegte und Anzeige erstattete, war es zu spät. Die Videoaufnahmen werden nur 48 Stunden lang gespeichert und dann gelöscht.

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