Landeshauptstadt: Neue Heimat für „Jacob van Berlijn“
20 Jahre lang war Bernd Preller mit seinem Riesen-Segler unterwegs. Jetzt ankert er in Potsdam
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Zwölf Jahre ist Bernd Preller mit seinem Plattbodensegler „Jacob van Berlijn“ von Holland aus unterwegs gewesen, hat mit Schulklassen und anderen Gruppen Touren unternommen, hat davon leben und seinen „Jacob“ erhalten können. Gekauft hat er das inzwischen 112 Jahre alte Frachtschiff als Wrack, hat 20 Jahre lang viel Arbeit hineingesteckt, aus dem Stauraum für alle möglichen Güter von Kohle bis Bausand eine nostalgische Wohnstube gemacht und sich ein Zuhause geschaffen. Auch seine Frau Ria Wahlen-Cordes, die er bei einer Ausfahrt kennenlernte, muss sich sofort in das auf seine Art einmalige Schiff verliebt haben, denn sie kam zurück und blieb, beim Segler und dessen Kapitän.
Doch mit dem Schifferleben ist jetzt Schluss. Studienrat Preller hat seinen Job als Lehrer wieder angetreten, gibt an einer Integrierten Sekundarschule in Kreuzberg Unterricht in Chemie, Physik und Mathematik und macht das gern. Von seinem Segler musste er sich nicht trennen. Der ist jetzt in Potsdam vertäut, hat in der Neustädter Havelbucht einen Ankerplatz gefunden und der Käptn wohnt weiter in seiner Kajüte. Jeden Tag nach Kreuzberg in die Schule zu fahren mache ihm nichts aus, sagt er. Mit dem Fahrrad sei er schnell am Hauptbahnhof und nutze dann die S-Bahn. 300 Tage im Jahr hinterm Steuer stehen hätte sein Rücken nicht mehr mitgemacht, erzählt der 62-jährige Preller. Im Sitzen könne man das Schiff bei vollem Segel nicht dirigieren. Die Enge der nur zwölf Quadratmeter großen Kajüte, die das Ehepaar bewohnt, macht ihm überhaupt nichts aus. Mehr Platz brauche er nicht. Ihn stört nicht einmal, dass er mit seinen 1,91 Metern dort nur gebückt stehen kann. Seinen Schreibkram erledige er ja ohnehin im Sitzen, meint er. Frau Ria hat die Enge wohl mehr gestört und zum Schluss machte sich auch Heimweh breit. Und so ist sie zur Ausübung ihres Berufes als Homöopathin wieder ins Alte Land bei Hamburg zurückgekehrt. Aber – um nicht neues Heimweh zu provozieren – werden Segler und Käptn natürlich regelmäßig besucht.
An den Wochenenden und im Urlaub geht es mit der „Jacob“ immer noch hinaus auf die Seen der Havel, wenn sich Gäste einfinden oder wenn wieder einmal zu zweit einem Sonnenuntergang nahe der Pfaueninsel zugeschaut werden soll. Bis Mitte Oktober ist so eine Segelfahrt mit Gästen auf dem 30 Meter langen und 5,40 Meter breiten Schiff möglich, danach kann man es aber noch immer für Familienfeiern und Übernachtungen mieten. Es bleibt im Wasser liegen. Selbst minus 20 Grad und dickes Eis können seinem genieteten Stahlrumpf nichts anhaben und die Ölheizung bullert weiter, denn kuschelig wollen es Schiffseigner und Gäste schließlich auch im Winter haben. Allerdings muss der „Hotelier“ Preller genau planen, damit der gebunkerte Diesel über den Winter reicht. Betanken kann er das Schiff in Potsdam nicht. Eigentlich für die Bodden- und Wattenmeere mit sehr geringem Tiefgang gebaut, ist der mit einem Motor ausgerüstete Segler überall seetüchtig. Seitenschwerter stabilisieren ihn auch bei höheren Windstärken. Unter Brücken kommt er ohne Schwierigkeiten hindurch, der 23 Meter hohe Mast kann schnell umgelegt werden. Sind die Segel gehisst, bietet das Schiff mit 250 Quadratmetern Tuch einen imposanten Anblick. Dann kommt es auch mal richtig in Fahrt. Ansonsten aber bleibt es bei gemächlichen sechs Knoten. In seine Heimat Holland könnte der Plattbodensegler über Mittellandkanal, Elbe und das Watt zurückschippern. Anders sieht es schon in Richtung Mecklenburg-Vorpommersche Seenkette aus. Das große Schiff passt nicht in die Schleusen hinein. Und fürs offene Meer ist es auch nicht zugelassen. Dafür aber darf die Schifferfamilie ohne Einschränkungen darauf wohnen.
Die Einschränkungen hat sich das Ehepaar selbst auferlegt, denn die 18 vorhandenen Kabinen und der wohnlich eingerichtete Aufenthaltsraum sind ausschließlich für die Gäste reserviert. Die Kajüten sind mit Doppelstockbetten und Waschbecken ausgerüstet und es gibt Gemeinschaftsduschen. Das ist kein Vier-Sterne- Standard, meint Preller, aber mehr sei nicht möglich. Für Schulklassen habe das gereicht, doch in Berlin und Umgebung sei das Interesse an Klassenfahrten inzwischen gering und die Klassen auch zu groß. Dafür suchten jetzt eher Erwachsenengruppen die Nostalgie. 25 Leute kann Preller maximal unterbringen.
In Potsdam will Preller mit seinem Segelriesen bleiben, so lange er das Schiff noch halten kann. Er habe so viel Energie und Liebe hineingesteckt, meint er, da möchte er nicht, dass es wieder als Wrack endet. Deshalb hat er seine Fühler auch schon ausgestreckt, um einen Nachnutzer zu finden. Doch noch schwärmt er von seinem neuen Hafen Potsdam. „So eine schöne Stadt“, findet er. „Und wie die sich entwickelt hat.“ Dagegen sei Spandau, wo er im vorigen Jahr vor Anker lag und von wo man ihn letzten Endes vertrieben habe, „direkt piefig“. Obwohl Preller „Original-Spandauer“ ist, wie er sagt, kommt bei ihm kein Heimweh auf.
Hella Dittfeld
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