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Homepage: Neue Ideen gegen den Raubbau an der Natur
Klimaplastischer Naturschutz: Doktoranden erarbeiten in Potsdam und Eberswalde neue Konzepte zum Schutz der Umwelt
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Der Großteil von der Insel Madagaskar ist heute Steppe. Wo einst Regenwald war, findet man höchstens noch Dornengestrüpp. Mit dem Raubbau an den ursprünglichen Regenwäldern setzt sich Iris Kiefer nun wissenschaftlich auseinander. Die Biologin arbeitet an einer Forschungsarbeit im Rahmen des Promotionsprojektes „klimaplastischer Naturschutz“ der Universität Potsdam und der Fachhochschule Eberswalde, das im Mai dieses Jahres gestartet ist.
Das Projekt ist zunächst auf etwa vier Jahre angelegt und mit Mitteln der Universitäten, des Landes Brandenburg und des Europäischen Sozialfonds ausgestattet. Das Projekt vereint Doktorranden aus so unterschiedlichen Fachrichtungen wie Molekularbiologie, Soziologie und Chemie. Die Zusammenarbeit einer Fachhochschule mit einer Universität ist schon ungewöhnlich. Noch außergewöhnlicher ist allerdings das Ziel, das sich das Projekt gesetzt hat. Es will einen Ausblick auf eine neue Form von Naturschutz eröffnen. Dieser soll sich den verändernden Umweltbedingungen anpassen, neue Konzepte entwickeln und nicht lediglich erhalten was schon da ist. Denn bewaldete Landstriche lassen sich ebenso wenig konservieren wie das Eis am Nordpol für die Bären. Weil sich die Ökosysteme durch den Klimawandel rasant verändern, reicht es nicht mehr, die Natur nur zu schützen.
Iris Kiefer hat in ihrer Diplomarbeit die Probleme beschrieben, die entstehen, wenn der Mensch Wälder nutzt und kommerziell verwertet. Dazu beschreibt sie auch die Situation auf Madagaskar. Sechs Sorten von Affenbrotbäumen gebe es dort, viele Tier- und Pflanzenarten würden überhaupt nur auf dem Inselstaat existieren. Nun reist Kiefer mit einem Packen von Fragebögen unter dem Arm in das von politischen Unruhen heimgesuchte Inselreich. Ob und wie der Klimawandel sich bei den Einwohnern bemerkbar macht und wie diese darauf reagieren, möchte sie mit ihrer Fragebogenaktion zunächst herausfinden.
Vor der Kolonialisierung im 16. Jahrhundert war Madagaskar eine grüne Insel. Im Laufe der Jahrhunderte jedoch hat der Mensch es geschafft, mehr als 90 Prozent der ursprünglichen Regenwälder zu vernichten. Der noch fruchtbare Boden wird vom Regen ins Meer geschwemmt und die verarmte Bevölkerung verarbeitet die verbliebenen Pflanzenbestände zu Brennholz und Viehwiesen. Naturschutzgebiete, die dem ökologischen Raubbau Einhalt gebieten sollen, existieren nur auf dem Papier. „Es ist nicht sinnvoll Schutzgebiete zu errichten, die den Lebensinteressen der Einwohner widersprechen“, stellt Kiefer fest. Denn die verarmte Bevölkerung hätte keine andere Wahl als ökologischen Raubbau zu betreiben und wenig Verständnis für die Errichtung von Naturschutzgebieten. Diese blieben deshalb nutzlos. Notwendig ist es also eine Form von Naturschutz zu entwickeln, die flexibel reagiert. „Die Menschen müssen davon leben können, den Wald zu erhalten.“
Ein klimaplastischer Naturschutz müsse die infolge von Klimawandel und Raubbau veränderten sozialen und geografischen Bedingungen mit einbeziehen, erläutert der Leiter des Projektes Pierre Ibisch: „Wir müssen erst einmal wissen, was wir schützen wollen. Naturschutz ist keine Naturwissenschaft, sondern immer eine kulturelle Wertung.“ In Brandenburg beispielsweise sei der Wasserhaushalt ein großes Thema, erläutert Ibisch. Sinke der Grundwasserspiegel, so stelle sich die Frage, ob beispielsweise nordamerikanische Douglasien oder Robinien angepflanzt werden sollten. Die kämen mit weniger Wasser aus als die einheimische Flora. Welche Bäume im Wald stehen und wie gerodete Flächen wieder aufgeforstet werden, regeln Waldbaurichtlinien, die entsprechend politischen Prämissen formuliert werden. Hier könnte das Promotionsprojekt einen erheblichen Beitrag leisten.
Am Beispiel des 2006 in Eberswalde gebauten Biomassekraftwerkes zeigt Ibisch, dass auch ökologische Planung problematisch sein kann: „Das war als Holzkraftwerk geplant, aber die Naturschützer waren entsetzt, weil niemand sich wirklich Gedanken über das notwendige Holz gemacht hatte.“ Richard Rabensaat
Richard Rabensaat
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