FREILAND-DEBATTE: Neue Räume für S13 Konfliktstoff
Fotoprojekt des Jugendklubs S13 gibt dem klassischen Streit mit Eltern um Modefragen eine neue Sicht
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Der Jugendklub S13 besteht seit mehr als einem Jahr nur als Provisorium. Damals musste der Klub seinen früheren Standort, der Spartacus in der Schloßstraße, verlassen – der Träger des Klubs konnte nicht mehr die Miete für das Haus tragen. Ein Ersatzobjekt steht allerdings in Aussicht: Der S13 soll 200 Quadratmeter große Räume im geplanten „Freiland“-Jugendareal in der Friedrich-Engels-Straße erhalten – genau wie der Spartacus e.V. dort zukünftig seine Partys und Veranstaltungen organisieren soll. Damit das passieren kann, muss allerdings erst noch eine Mehrheit der Potsdamer Stadtpolitiker von dem Vorhaben überzeugt werden. Diese Woche hatte insbesondere CDU-Landtagskandidat Steeven Bretz wegen noch unklarer Finanzierungsfragen mehrmals öffentlich Bedenken angemeldet – sehr zum Unmut der Befürworter aus Potsdams alternativer Jugendkulturszene. In dieser Situation überraschte gestern Potsdams neue Kulturbeigeordnete Iris Jana Magdowski, ebenfalls in der CDU, mit einem Besuch an der Jugendaktionsfläche auf dem Bassinplatz. Dort sprach sie mit Szenevertretern. Dabei äußerte sie sich wohlwollend zu den „Freiland“-Plänen: „Wenn man etwas wegnimmt, dann muss man etwas neuen schaffen.“ Gleichzeitig kündigte sie an, mit einer Umfrage die Bedürfnisse und Wünsche von Potsdams Jugendlichen herausfinden zu wollen. cw/HK
Olivers Mund ist aufgerissen zu einer wilden Grimasse. Beide Hände hat er vor seinem Körper gekreuzt, Zeigefinger und kleiner Finger sind ausgestreckt – das Teufelszeichen, wie es Heavy-Metal-Fans kennen. Dazu kommen Nieten und Ringe aus silbernem Metall. Auf dem Bild daneben lächelt der andere Oliver: Ein 18-jähriger Abiturient mit frecher Irokesenschnitt-Andeutung, der so auch Werbung für junge Designer-Mode machen könnte. Oliver blickt auf die beiden Bilder, schmunzelt kurz und sagt: „Die würde ich so auch noch einmal machen lassen.“
Die so unterschiedlichen Doppel-Motive von Oliver und fünf anderen Potsdamer Jugendlichen sind derzeit im Schaufenster der Fachhochschule in der Friedrich-Ebert-Straße zu sehen. Bereits im März sind sie während eines dreitägigen Fotoworkshops im Auftrag des Jugendklubs S13 entstanden. Geknippst und den Jugendlichen dabei gleichzeitig die Grundtechniken der Fotografie beigebracht hat der Potsdamer Fotograf Peer Neumann. Er erklärt die Idee hinter den so ungleichen Bildkombinationen. „Das jeweils linke Bild zeigt, wie die Mütter ihre Kinder gern sehen würden – und das Motiv daneben, wie die Jugendlichen sich selbst am Liebsten sehen.“
Es ist also in Bildform der klassische Mode-Konflikt in jeder Pubertät, wenn Eltern und Jugendliche um Kleidung, Frisur, Schmuck oder alles auf einmal streiten. Auch Alexander kennt dies zur Genüge. Der 22-jährige Auszubildende hat sich auf den Bildern einmal brav lächelnd und mit hellem Shirt fotografieren lassen. Daneben steht er in Türsteher-Pose, mit ernstem Blick, schwarzem Kopftuch und schwarzen Klamotten. „Ich wollte immer das Gegenteil sein von den Vorbildern, die mir meine Familie vorgeben wollte“, sagt er. Und erzählt, dass seine Mutter nie besonders froh darüber war, dass ihr Sohn im Alter von 14 Jahren begann, nur noch schwarze Kleidung zu tragen. Und schwere Stiefel mit Stahlkappen. Und – als Fans von Mittelalter-Rock á la Subway To Sally – Ketten mit hell klingenden Glöckchen an den Schuhen. Auch Oliver hat solche für Erwachsene schwer nachvollziehbare Angewohnheiten: Beispielsweise trug er früher selbst bei sommerlicher Hitze sein schwarz-weißes Palästinenser-Tuch aus dichtem Baumwollstoff. „Jeder versucht doch, seinen eigenen Stil zu finden“, erklärt Oliver das bewusste Abgrenzen von gängigen Mode-Konventionen.
Im Schaufenster der Fachhochschule sind dafür noch weitere schöne Beispiele zu finden. Da ist Jonas, mit langer Rockermähne und finsterem Ausdruck um den Mund. Daneben ist Jonas ein junger Mann mit Zopf und freundlichem Lächeln. Auch ein anderer Alex hat sich abbilden lassen, ein junger Punker mit erhobener Faust und wirrem Blick – daneben schaut er pfiffig in die Kamera. Und Gina gibt es auch noch, mit einem äußerst attraktiven Gesicht, das aber in ihrer Lieblingsvariante von einem wilden Pony-Schnitt fast völlig verdeckt ist.
Oliver und Alexander gehen die Reihe noch einmal ab. Wie hat es sich denn angefühlt, sich als Art perfekte Schwiegersöhne in Szene zu setzen? Kurz zögern beide. „Eigentlich hatte ich damit keine Probleme, in unserer Gesellschaft muss man doch sowieso oft etwas humaner auftreten“, sagt Oliver. Ähnlich geht es Alexander: „Früher hätte ich mit so etwas erheblich mehr Probleme gehabt.“ Nun kann er aber auch – entsprechend dem Anlass – normale Kleidung tragen – neben dem immer noch markant-düsteren Freizeit-Outfit. Seine Mutter hat sich damit aber wohl abgefunden. Die zwei Gesichter von Alexander hängen bei ihr einträchtig nebeneinander im Wohnzimmer.
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