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Sport: Neue Reize in Windhoek

Potsdams 400-Meter-Läuferin Claudia Hoffmann trainiert erstmals in der Höhe – ihr Trainer ist noch skeptisch und setzt doch auf dünne Luft und anschließend auf einen Mentaltrainer

Stand:

Heimtrainer Frank Möller ist noch skeptisch und hofft trotzdem, dass der Plan aufgeht: Potsdams Leichtathletin Claudia Hoffmann, die sich in diesem Jahr für die Europameisterschaften in Göteborg qualifizieren will, wird erstmals in der Höhe trainieren. Anfang kommender Woche düst die 23-Jährige des SC Potsdam mit weiteren deutschen 400-Meter-Läuferinnen – Claudia Marx und Ulrike Urbanski vom Team Erfurt sowie Jana Neubert und Anja Pollmächer vom LAC Erdgas Chemnitz – nach Namibia. In der dortigen Hauptstadt Windhoek wollen die jungen Frauen unter Bundestrainer Edgar Eisenkolbs Regie in 1650 Metern Höhe über dem Meeresspiegel Grundlagen für einen erfolgreichen Sommer schaffen.

„Ich habe mit einer derartigen Vorbereitung noch gar keine Erfahrungen und muss nun einfach abwarten, wie ich damit klar komme“, meint Claudia Hoffmann, die während des zweieinhalbwöchigen Trainingslagers mit Möller in ständigem Kontakt bleiben will. „Per Telefon, SMS oder E-Mail werden wir uns täglich austauschen“, verspricht sie. „Das ist ganz wichtig, denn Frank Möller ist im Sport als Heimtrainer meine wichtigste Bezugsperson. Ich bilde mit ihm ein Dream-Team, das funktioniert.“

Dabei sieht der 45-Jährige – der seinem Schützling derzeit den Trainingsplan für Windhoek schreibt – Hoffmanns Reise in die dünne Luft mit gemischten Gefühlen entgegen. Als Aktiver war er selbst zweimal in Mexiko in der Höhe, „und ich habe damals schlechte Erfahrungen damit gemacht“, erinnert sich der einstige Sprinter und Olympia-Vierte mit der Staffel von Seoul 1988. „Deshalb habe ich auch damit gezögert, Claudia in die Höhe zu schicken.“ Nun aber sei die Zeit reif für einen solchen Schritt, glaubt der Coach und erklärt warum: „Ich trainiere Claudia mittlerweile neun Jahre, und wir haben immer Fortschritte gemacht. Nun steht Claudia an der Stufe zur Weltspitze. Um in die richtig vorzustoßen, bedarf es neuer Reize, und die Höhe ist ein solcher Reiz.“

Auch die Sportsoldatin spürt das. Als die Läuferinnen dieser Tage zu Voruntersuchungen in Heidelberg waren, machten sie Tests unter normalen Bedingungen und in simulierter Höhe. „Da fiel in der dünnen Luft vieles ganz schön schwer“, räumt sie ein. Und ist doch neugierig darauf, ob und wie sie die neue Belastung in neue Leistungsschübe wird umsetzen können. Hoffmann kann auf ihre bislang beste Hallensaison zurückblicken, wurde unterm Dach Deutsche Meisterin in Karlsruhe und WM-Achte in Moskau. „Bei dieser Hallen-WM habe ich Blut geleckt“, sagt sie selbst. „Dort fehlte mir im Halbfinale nur ein Quäntchen Glück, und das stachelt mich an. Draußen bei den EM in Göteborg ist jetzt der Endlauf mein erklärtes Ziel.“

Möller hat mit Genugtuung die Entwicklung seiner Läuferin registriert: „Selbstbewusst war Claudia schon immer. Trotzdem ist bemerkenswert, dass sie sich inzwischen selbst höhere Ziele als nur die Staffel stellt.“ Will die Potsdamerin die EM im August als Einzelläuferin erleben, muss sie eine Normzeit von 51,70 Sekunden laufen. „In der Halle bin ich in Karlsruhe mit 52,02 Sekunden schon bis auf 32 Hundertstel rangekommen – das Ziel ist also zu schaffen“, zeigt sie sich optimistisch.

Ihr erstes 400-Meter-Rennen, in dem sie die Normzeit packen könnte, wird Claudia Hoffmann voraussichtlich beim Lausitzer Leichtathletik-Meeting am 2. Juni in Cottbus laufen. Ihren ersten Wettkampf aber wird sie schon vorher haben – auf eher ungewöhnlicher Distanz. Am 8. Mai will sie gemeinsam mit Julia Hilgendorf aus ihrer Trainingsgruppe und 1500-Meter-Spezialistin Antje Möldner den SC Potsdam in Tübingen bei den Deutschen Meisterschaften über dreimal 800 Meter vertreten, falls sich der Verein vorher dafür qualifizieren kann. „Die 800 Meter sind Claudia zu Saisonbeginn immer gut bekommen, ebenso wie danach Unterdistanzen“, erläutert Frank Möller, der mit seinem Schützling deshalb nach Tübingen 200-Meter-Läufe am 26. Mai in Dessau und zwei Tage darauf in Zeulenroda plant. Ob es damit klappt, wird auch von Frank Thaleiser abhängen. Der Bonner ist seit der jetzt beendeten Hallensaison Claudia Hoffmanns Wettkampf-Manager, „und ich war bisher sehr zufrieden mit ihm“, erklärt die Läuferin. „Er hat mich in der Halle in die Meetings bekommen, in die ich wollte, und darauf setze ich auch jetzt. Wobei er die Termine vorschlägt und wir entscheiden, ob wir sie auch wahrnehmen.“

Läuft die Potsdamerin rechtzeitig die EM-Normzeit für Göteborg, wird sie vorm Saisonhöhepunkt noch einmal für einige Wochen ins Höhentrainingslager in die Nähe Innsbrucks reisen, das nur durch die Deutschen Meisterschaften Mitte Juli in Ulm unterbrochen wird. Und schon nach ihrer Rückkehr aus Namibia wird auf Claudia Hoffmann eine weitere Neuigkeit warten: ein Mentaltrainer. Frank Möller arbeitet seit einiger Zeit mit Marco Gerloff aus Brandenburg (Havel) zusammen, der einst Hammerwerfer beim ASK Vorwärts Potsdam war und nun Sportler psychologisch betreut – darunter bereits Möllers hoffnungsvolle Schützlinge Julia Hilgendorf, Kassandra Urban, Stefan Hackl und Tobias Schneider. „Ich habe das jahrelang belächelt“, räumt der Erfolgscoach ein, „und merke nun, wie er mir hilft, aus den Sportlern weitere Reserven raus zu kitzeln.“ Gleiches erhofft er für Claudia Hoffmann – sowohl durch den Mentalcoach als zuvor durch das Höhentrainingslager Windhoek.

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