Von Jan Kixmüller: Neues aus dem Smart House
Studenten der Uni Potsdam präsentierten auf der IFA innovative Lösungen für Firmen und das Eigenheim
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Haushoch türmen sich die Bildschirme: 100-Hertz, Motion-Plus-Technologie, ja gar 600 Hertz, Full HD, kristallklares Bild. Die Medienwelt der IFA hüllte ihre Besucher geradezu in einen Rausch von Auflösung und Klangschärfe. Doch nicht nur Unterhaltungselektronik gab es auf der am Mittwoch zu Ende gegangenen Funkausstellung zu sehen. In Halle 5.3 sollte sich ein Forum für Science und Technologie befinden, auf dem auch Studierende der Universität Potsdam Innovationen präsentierten.
„Wir sind hinten links zu finden“, hatte einer der Organisatoren mit auf den Weg gegeben. Der Weg hatte es in sich. Extrem flache Handys, Laptops mit Tigermuster, Mini-Notebooks, neben denen herkömmliche Geräte wie Kühlschränke wirkten, und immer wieder flimmerfreie Bildschirme. Auf der Toilette ein kahlköpfiger Geschäftsmann mit Rollkoffer beim Zähneputzen. In Halle acht fragte dann eine junge, blonde Dame, ob man sich nicht auf ihre Couch setzen wolle. Um die Lautsprecher zu testen. Was nur der Anfang war. An jeder Ecke lächelten einem Hostessen zu, allesamt blond, durchaus auch Modeltypen dabei. Eine davon mit hohen weißen Schaftstiefeln rekelte sich auf einem sehr teuren Ledersofa und spielte gelangweilt Video-Fußball. Ob sie den Weg zu Halle 5.3 wisse? Nein, auf keinen Fall.
Zwischen Hybrid-Laptops, Espresso-Ambulanz und mit Werbetüten bepackten Schülern fand sich dann schließlich eine gute dreiviertel Stunde vom Haupteingang entfernt ein Aufgang zu Level 3: im dritten Stockwerk öffnete sich hier erhaben über der profanen Welt des Unterhaltungslärms das Science-Forum. Angenehm kühl, keine Hostessen, dafür Fraunhofer, IBM und andächtige Ruhe. Hier war die Innovation zu Hause. Wiederum hinten links dann der Stand der Potsdamer Universität.
Vier Projekte, zwei Filme und zwei Software-Lösungen wurden präsentiert. Informatikstudent Sebastian Burkhart war mit dem Sonivis-Projekt bereits auf der Cebit recht erfolgreich. Die Software analysiert Wissensflüsse in Unternehmen. Die Zusammenarbeit in großen Unternehmen findet heute zunehmend in so genannten Wikis und Weblogs, aber auch E-Mail-Systemen statt. „Das kann man analysieren“, erklärte der Potsdamer Student. Heraus kommen Strukturbilder mit unzähligen Verästelungen zwischen einzelnen Mitarbeitern. „Ein soziales Netz, an dem man ablesen kann, wer mit wem an welchen Dingen arbeitet“, erklärte der Student. Das System erkenne, wenn beispielsweise verschiedene Abteilungen an der gleichen Sache arbeiten. „Mit dieser Analyse lässt sich Geld sparen.“
Auch kann das System Brücken zwischen einzelnen Arbeitsgruppen sichtbar machen. Wenn an diesen Stellen etwa ein Mitarbeiter krank wird, ist der Wissensfluss unterbrochen. Sonivis erkennt solche Schwachstellen, die dann verstärkt werden können. Auch das spare unnötige Ausgaben. Die Softwarelösung ist „open source“, also kostenfrei aus dem Internet herunterzuladen (www.sonivis.org). „Sollten Unternehmen individuelle Lösungen brauchen, werden wir auch gegen Honorar aktiv“, erklärte der 23-jährige Student. Dass jemand die Idee klauen könnte, fürchtet der angehende Informatiker nicht. „Die Idee gab es schon, wir haben sozusagen ein Update davon gemacht, wenn nun andere die Sache wiederum überarbeiten, gewinnen wir dadurch nur dazu“, erklärt er das in der Forschung zunehmend an Beliebtheit gewinnende Open-Source-Prinzip. Ihn interessiere nicht nur der kommerzielle Aspekt, betont Burkhart, sondern auch der wissenschaftliche Hintergrund. So würden Bereiche der Soziologie für das Sonivis-Projekt eine grundlegend Rolle spielen.
Oktay Konanc und Mario Bärmann zeigten am IFA-Stand der Uni ein System zur Geräuschanalyse für die Wohnung. Mikrofone im Haus sollen Geräusche analysieren und gegebenenfalls eine Warnung auslösen. So könne das System etwa nach dem Klirren von Glas mit Hilfe von Kamerabildern eruieren, ob Einbrecher am Werk sind. Oder etwa pflegebedürftigen Menschen helfen, wenn sie stürzen. Das System analysiert, was passiert ist und gibt dann eine Meldung an den Pflegedienst. Eine andere denkbare Anwendung ist der Automotor: sollte es hier zu ungewöhnlichen Geräuschen kommen, kann das System die Ursache analysieren und den Fahrer warnen.
Für die beiden Potsdamer Informatikstudenten Konanc und Bärmann ist das Geräuschanalyse-Projekt ihre Abschlussarbeit. Auf der IFA hatten sie relativ viele Anfragen von Unternehmen. Dass sich jemand von all den Mikrofonen und Kameras im Haus überwacht fühlen könnte, fürchten sie nicht. Man entwickele keine Überwachungssoftware, sondern wolle den Menschen helfen. „Smart House“ nennen sich die Wohnungen der Zukunft, in denen Computersysteme Abläufe analysieren und steuern. So wie das Sonivis-System den Arbeitseinsatz von Mitarbeitern analysiert. Natürlich können damit Chefetagen auch erkennen, wer mehr und wer weniger arbeitet. Doch Sebastian Burkhart rät zur Gelassenheit. Es wäre Unsinn, die Leute am Rand eines Netzwerks herauszuschmeißen. Denn dann verliere das Ganze seinen Zusammenhalt.
Der Weg zum Ausgang war dann ein Kinderspiel. Durch digitale und soziale Netze ging es hindurch. Wenn man erst einmal den groben Zusammenhang kennt, kommt die Orientierung ganz von alleine.
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