
© Manfred Thomas
Landeshauptstadt: Neues jüdisches Leben
Ziele der Synagogengemeinde: Eine Sonntagsschule, einen Kindergarten und eine schöne Synagoge
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Innenstadt - Wer sich fragt, wo in Potsdam das jüdische Leben ist, musste nur zum gestrigen offenen Informationstag der Synagogengemeinde Potsdam gehen: Über 50 jüdische Gemeindemitglieder haben sich in der Synagoge in der Hans- Thoma-Straße zur ersten Vollversammlung der letztes Jahr gegründeten Synagogengemeinde eingefunden; man unterhält sich lebhaft auf russisch, deutsch, hebräisch, jeder kennt sich. Dazwischen tobt der Nachwuchs, mehrmals muss Rabbiner Nachum Presman ein weinendes Kind tröstend auf den Arm nehmen. Ein Drittel der orthodoxen Synagogengemeinde sind unter 18 Jahren alt, es gab bereits zwei Bar Mitzwas; die rund 100 Mitglieder große Gemeinde ist zukunftsfähig, so Ud Joffe, Vorsitzender der Gemeinde: „Neben den Mitgliedern, die von der ,alten’ Gemeinde zu uns gewechselt sind, konnten wir viele Neumitglieder gewinnen, die bislang keiner anderen Gemeinde in Potsdam angehörten.“ Einige davon hätten sich vor einigen Jahren wegen Differenzen von der Jüdischen Gemeinde getrennt, und seien nun durch den Synagogenstreit neu mobilisiert worden, meint Joffe. „Die ,alte’ Jüdische Gemeinde war nicht koscher, die Synagogengemeinde ist mir viel näher“, sagt der 72-jährige Ernest Gorodetskiy.
Der Konflikt um die für 2012 geplante Synagoge war der Auslöser, der zur Gründung der neuen Gemeinde führte: Auch heute geht Joffe kurz auf den Streit ein, zeigt die seiner Meinung nach ästhetisch unansprechenden Entwürfe, die in ihrer Geradlinigkeit sogar bedenklich an den neo-klassizistischen Stil der 30er Jahre, also an NS-Architektur erinnern würden. In der äußeren Fassade sei aus einer gewissen Perspektive sogar die geometrische Form eines Hakenkreuzes zu erkennen; das mag Ansichtssache sein, so Joffe, sei aber dennoch unnötig: „Schon viele haben mir gesagt: ‚Wie können die Potsdamer Juden nur so einen schlechten Geschmack haben!''“. Vor allem sei der Bau nicht als sakrale Synagoge erkennbar, und auch die Raumaufteilung sei nicht durchdacht.
„Es ist ein Skandal, dass es von der Jüdischen Gemeinde nicht mal ein Nutzungskonzept für den Bau gibt; es gibt keine richtige Diskussionsgrundlage“, kritisiert Joffe. Im Nebenraum des Gebetssaals hängen fiktive Kompromissvorschläge, einige mit einer Kuppel. „Das gefällt mir schon besser“, meint Emelie Gorgels, „aber ich würde mir eher einen noch traditionelleren Stil wünschen.“
Aber auch wenn die verfahrene Lage um den Synagogenbau jedem hier Bauchschmerzen bereitet, fühlen sich die meisten sehr wohl in Potsdam: „Es ist wunderbar als Jude in Potsdam zu leben! Ich habe hier deutsche Freunde, die mir immer wieder helfen“, sagt der gebürtige Ukrainer Gorodetskiy, der vor zehn Jahren in die Stadt gekommen ist.
Die Synagogengemeinde hat große Pläne für die Zukunft, das Gemeindeleben soll ausgebaut werden: Jugendclub, Frauenclub, Ausflüge, koschere Kochkurse, Sozialarbeit, Filme, Sport Ein Schwerpunkt ist Bildung: In drei Wochen könne etwa der Unterricht einer jüdischen Sonntagsschule beginnen, auch ein jüdischer Kindergarten ist geplant: „Das sollen keine Talmudschulen oder israelische Kindergärten werden, in denen nur hebräisch gesprochen wird, um eine isolierte ,Elite’ heranzuziehen, sondern integrierte Einrichtungen“, betont Rainer Rietdorf, der die Planungen vorstellte. Erik Wenk
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