Landeshauptstadt: Neugier auf Jennys Bauch
105-Meter-Frachtkahn im Potsdamer Hafen wirbt für den Havelausbau – und ersetzt sonst 92 Lkws
Stand:
105-Meter-Frachtkahn im Potsdamer Hafen wirbt für den Havelausbau – und ersetzt sonst 92 Lkws Von Detlef Gottschling Container, Futtermittel, Erz – in den Bauch von Jenny passen 2290 Tonnen von allem, was in großen Mengen auf Rhein, Main, Donau und Elbe transportiert wird. Das Binnenfrachtschiff „Jenny“ liegt seit gestern im Potsdamer Hafen an der Langen Brücke und zieht die Blicke Neugieriger auf sich. Ist es doch nicht alltäglich, dass ein 105 Meter langer und 9,50 Meter breiter Pott am Fuße des Mercure-Hotels festmacht, wo sonst drei WeisseFlotte-Dampfer Platz haben. Die Sinne in Potsdam sind geschärft: Wegen solcher und noch größerer Schiffe soll das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 17 – das auch den Ausbau der Havel-Wasserstraßen beinhaltet – bis nach Berlin vollendet werden. Doch die Wasser- und Schifffahrtsdirektion hat dieser Tage das Planfeststellungsverfahren dafür gestoppt. Das verstehen die Schiffer nicht. „Wir transportieren 60 000 Tonnen im Jahr, still und leise und sauber auf den Flüssen.“ Das sagte gestern Albrecht Scheubner, Kapitän der „Jenny“, den PNN. Immerhin die Ladung von 92 Lastkraftwagen fasse allein sein Schiff. Kaum jemand wisse, dass die Binnenschiffer fast 90 Prozent soviel Fracht transportierten wie die Bahn auf der Schiene. Deshalb gibt es für Kapitän Scheubner nur eines: Ausbau der Wasserstraßen. Den Sacrow-Paretzer Kanal habe man – von Magdeburg kommend – passiert. Ehefrau Karin Scheubner, die ebenfalls das Kapitänspatent in der Tasche hat, sagte gestern: „Wir sind da durchgefahren. Ganz langsam und vorsichtig, wie es sich in fremden Gewässern gehört.“ Doch habe man ja auch keine Fracht an Bord, damit sei die Wasserverdrängung nicht so groß. In Jennys Bauch steht zur Zeit nur eine Ausstellung, die die Potsdamer noch von heute 9 bis 18 Uhr bei freiem Eintritt besuchen können. Kernstücke der Schau sind die Eröffnung des Wasserstraßenkreuzes Magdeburg am vergangenen Wochenende sowie das Verkehrsprojekt 17 im Allgemeinen. Dass gerade in Potsdam die Diskussion um Sacrow-Paretzer Kanal, Jungfernsee und Glienicker Lake läuft, das war dem Kapitänsehepaar nicht bekannt. „Da muss sicher abgewogen werden, gerade wenn es um Weltkulturerbe geht“, so Albrecht Scheubner. Doch gegen den Ausbau zu sein, das halte er für unvernünftig. „Die haben alle nichts Besseres zu tun, als solche Sachen zu verhindern“, wirft er den Gegnern des Havelausbaus vor. Und: „In Deutschland haben wir doch seit 15 Jahren keine Umweltprobleme mehr – jetzt werden welche konstruiert.“ Das Planfeststellungsverfahren zum Havelausbau nördlich von Potsdam ist mit Bescheid vom 29. August 2003 von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost eingestellt worden. Der Bund für Umwelt und Naturschutz hatte massive ökologische Bedenken geäußert und den Planungsstopp als Einstieg in den Ausstieg aus dem Projekt gewertet. Das Wasserstraßen-Neubauamt will aber im Frühjahr 2004 die erneute Aufnahme des Planverfahrens beantragen. Dies sieht auch der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt als neue Chance. Niedrigwasser-Situationen wie in diesem Jahr sollen beim neuen Anlauf gleich mit eingearbeitet werden. Ein weiteres Vorhaben, über das in Jennys Bauch aufgeklärt wird, ist der Neubau und die Erweiterung des Schiffshebewerkes mit einer Troglänge von 119 Metern im brandenburgischen Niederfinow. Einen Termin dafür gibt es aber noch nicht. „Wenn irgendwann einmal Geld dafür da ist“, war in der Ausstellung zu hören
Detlef Gottschling
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: