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Landeshauptstadt: „Nicht gleich in Schnappatmung verfallen“

Beim Neujahrsempfang der Stadt hörten die Gäste eine bemerkenswerte Rede zur Potsdamer Debattenkultur

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Dagmar Reims Empfehlung für das neue Jahr klingt eigentlich logisch: „Nicht immer gleich in Schnappatmung verfallen.“ Das sagte die Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) am Freitag bei ihrer Rede zum Neujahrsempfang der Potsdamer Stadtverwaltung im Nikolaisaal. Ihren Rat zu mehr Gelassenheit bei den Potsdamer Streitthemen beendete eine augenzwinkernde und mit viel Beifall bedachte Rede zur Potsdamer Debattenkultur.

Die gelernte Journalistin ließ dabei kaum einen Streit der vergangenen Monate und Jahre aus. Da sei etwa die Fraktion Die Andere, die die Verwandlung der Stadt in ein „Potsschwanstein“ befürchte und zu denen gehöre, die sowohl den Abriss des Hotel Mercure als auch den Wiederaufbau der Garnisonkirche ablehnten. Gegner und Befürworter dieser Projekte seien jeweils in einer „erstaunlich homogenen Gruppe“ vereint, stellte Dagmar Reim fest. Der Hintergrund solcher sehr emotional geführter Debatten, etwa zur Wiederherstellung der Potsdamer Mitte, sei dabei vielfach nur schwer greifbar: Zum Beispiel gebe es „Angst vor Identitätsverlust“ auf der einen Seite, dagegen auf der anderen Seite die „Sehnsucht nach dem schönen Schein“. „Eine Bewegung zieht eine Gegenbewegung nach sich“, sagte Reim.

Dass die Debatten in diesem Jahr weitergehen, daran ließ auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) keine Zweifel. Unter anderem solle die angekündigte Debatte zu einem Leitbild für Potsdam starten, in der es um das Zusammenleben in der Stadt gehen solle: „Das anhaltende Wachstum stellt Fragen an die zukünftige Gestaltung der Landeshauptstadt. Dafür brauchen wir eine Prioritätensetzung.“

Ebenso stehe das Jahr im Zeichen zahlreicher Gedenkveranstaltung: Unter anderem wird an den 70. Jahrestag der Bombardierung Potsdams erinnert, bei der in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1945 weite Teile der Innenstadt zerstört worden waren. Auch der 25. Jahrestag der Wiedervereinigung wird gefeiert.

Jakobs verwies auch auf die im Zeichen des Sports stehende Jahreskampagne „Potsdam bewegt“ mit ihren zahlreichen Veranstaltungen. Noch so ein Thema, das nicht konfliktfrei ist: Unweit des Nikolaisaals forderten rund 20 Demonstranten – Mitglieder der Fraktion Die Andere sowie einige Breitensportler – mehr Sportflächen in der Stadt und eine Skaterhalle. Eine „Rote Karte für die ,Sportstadt’ Potsdam“sollte laut der Einladung hier gezeigt werden. Beim Neujahrsempfang räumte auch Jakobs ein, bei der Sportinfrastruktur gebe es noch einiges zu verbessern, speziell bei den Freiflächen: „Dass die Sportstätten in der Landeshauptstadt nicht ausreichen, ist sicherlich allen bewusst.“ Doch stelle die Stadt auch schon jetzt neun Millionen Euro jährlich bereit, damit Sportanlagen kostenlos genutzt werden können. Zudem seien in den kommenden Jahre Investitionen von 65 Millionen Euro in den Bereichen Schul-, Breiten- und Spitzensport geplant.

Insgesamt, so lobte Jakobs einmal mehr, habe sich Potsdam von der „Meckerhauptstadt Ostdeutschlands“ – einst eine „Spiegel“-Schlagzeile – zu einer selbstbewussten Landeshauptstadt entwickelt. Er sei daher auch überzeugt, dass Potsdam der Aufgabe gewachsen sei, im nächsten Jahr bis zu 500 Flüchtlinge aufzunehmen. Nur zur Debattenkultur an sich verlor Jakobs kein Wort. Das übernahm Intendantin Reim: Selbstironisch benannte sie die Profiteure der Dauerfehden in Potsdam: „Uns Journalisten wird hier nicht langweilig – das wäre ja auch schlimm.“

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