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Homepage: Nicht immer ein Misserfolg
Die Agentur für Arbeit Potsdam hat einen „Runden Tisch Studienabbruch“ initiiert
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Ein angefangenes Hochschulstudium bricht wohl kaum jemand leichten Herzens ab. „Hinter der Entscheidung stecken oft menschliche Schicksale“, sagt Claudia Tennikait-Handschuh von der Agentur für Arbeit in Potsdam. Sie ist Beraterin im Hochschulteam und kümmert sich sowohl um Akademiker, die trotz ihres Abschlusses keinen Job finden, als auch um Studienabbrecher. Das sind nach Angaben der Agentur für Arbeit derzeit immerhin rund 20 bis 30 Prozent eines Jahrgangs. Eine imposante Zahl, denn allein im Wintersemester 2010/20111 begannen bundesweit 440 000 Erstsemester ihr Studium.
„Es gibt viele Wege für Abbrecher, aber diese sind nicht klar strukturiert“, beschreibt Tennikait-Handschuh die Situation. Die Agentur für Arbeit hat deshalb Ende vergangenen Jahres den „Runden Tisch Studienabbruch“ ins Leben gerufen. Vertreter der Potsdamer Universität, Fachhochschule, Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer und der Landesministerien für Bildung und Arbeit bündeln dort ihre Kompetenzen und entwickeln Ideen. Derzeit arbeiten sie an einem Leitfaden, der Studienabbrechern in Brandenburg eine Übersicht über berufliche Möglichkeiten in der Region verschaffen soll. Tennikait-Handschuh: „Wir wollen vermeiden, dass die Frustration noch größer wird.“
Nach einer Studie der Hochschul-Informations-System-GmbH (HIS) sind die am häufigsten genannten Gründe für den Studienabbruch Leistungsprobleme, endgültiges Nichtbestehen von Prüfungen, finanzielle Schwierigkeiten oder falsche Erwartungen an das Studium. „Studienabbrecher sind keine homogene Gruppe“, bestätigt Tennikait-Handschuh. Aber trotz der unterschiedlichen Motive für das vorzeitige Beenden der akademischen Ausbildung hätten die Abbrecher eines gemeinsam: „Sie befinden sich in einer sehr unangenehmen Situation, in der man ernstlich mit sich hadert. Insbesondere, wenn man schon längere Zeit mit dem Studium verbracht hat.“
Studienabbrecher haben dennoch Chancen auf ein erfolgreiches Berufsleben. In Zeiten sinkender Schülerzahlen und drohenden Fachkräftemangels empfangen viele Betriebe Studienabbrecher mit offenen Armen. Nach einer Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie bewerten Unternehmen die beruflichen Kompetenzen der Abbrecher grundsätzlich nicht geringer als die von Hochschulabsolventen: Sie schätzen die hohe Loyalität zum Unternehmen, Motivation und Engagement sowie die Lebenserfahrung der neuen Mitarbeiter.
Ein wichtiges Thema am „Runden Tisch“ ist die Prävention. Insbesondere die Frage, wie Studierwilligen die Entscheidung für das individuell richtige Studium erleichtert werden kann, beschäftigt die Akteure. Dazu gehören niedrigschwellige Angebote der Hochschulen sowie qualitativ gute und zeitgemäß vermittelte Informationen über Studiengänge. „Vieles kann noch optimiert werden“, sagt Claudia Tennikait-Handschuh. In der Phase des Studiums sei es wichtig, die Studienbedingungen zu verbessern und die Kontakte zu den Studierenden zu intensivieren. Wer sein Studium dennoch abbricht, sollte sich zeitnah über Alternativen informieren können. Die Anerkennung von Studieninhalten auf Ausbildungsgänge könne den Übergang ins Berufsleben erleichtern und sollte vereinheitlicht werden – keine leichte Aufgabe für den „Runden Tisch“.
„Hochschulen sehen sich in der Pflicht, möglichst viele ihrer Studierenden zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen“, erklärt der Soziologe Philipp Pohlenz, der ebenfalls an dem „Runden Tisch“ teilnimmt. Pohlenz ist Geschäftsführer des Zentrums für Qualitätsentwicklung in Lehre und Studium an der Universität Potsdam und beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Studienzufriedenheit. Seine Beobachtung: „Oft wird das Studium mit falschen Erwartungen begonnen oder gehegte Erwartungen haben sich nicht erfüllt.“
Die falsch getroffene Studienentscheidung könne durch einen Fachwechsel oder die Aufnahme einer Berufsausbildung noch leicht korrigiert werden. Eine effektive und zielgenaue Beratung zu realisieren, sei deshalb eine wichtige Aufgabe der Akteure des „Runden Tisches“. Denn: „Nicht jeder Studienabbruch muss ein Misserfolg sein, sondern kann auch das Ergebnis einer sehr rationalen Entscheidung und Lebensplanung sein."
Maren Herbst
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