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Homepage: Nicht nur ein Symbol Tagung zur Bücherverbrennung in Deutschland

Feuer entfachen, statt zu löschen, ist die Aufgabe der Feuerwehrmänner in dem Truffaut-Film „Fahrenheit 451“, wobei der Titel auf die Temperatur anspielt, bei der Bücher Feuer fangen. In dieser Zukunftsvision ist der Besitz von Büchern verboten, wo sie gefunden werden, wird routiniert ein Scheiterhaufen errichtet.

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Feuer entfachen, statt zu löschen, ist die Aufgabe der Feuerwehrmänner in dem Truffaut-Film „Fahrenheit 451“, wobei der Titel auf die Temperatur anspielt, bei der Bücher Feuer fangen. In dieser Zukunftsvision ist der Besitz von Büchern verboten, wo sie gefunden werden, wird routiniert ein Scheiterhaufen errichtet. Auch die Nationalsozialisten warfen Bücher in das Feuer und setzten damit gleich zu Beginn ihrer Regierungszeit ein Zeichen. Doch wofür genau? Wer war der „eigentliche Feind“? Fragen, auf die es scheinbar einfache Antworten gibt – auf den ersten Blick. Die Tagung „Verfemt und verboten“ von der Gesellschaft für Geistesgeschichte betonte am Wochenende die Notwendigkeit differenzierter Antworten. Da wäre das Klischee der Bücherfeindlichkeit. Aus ökonomischer Sicht war Deutschland während des Nationalsozialismus ein florierender Buchmarkt. Mit dem Wehrmachtsbuchhandel etablierte sich eine Art erster Lesering, stellte provozierend Siegfried Lokatis fest. Die Menschen sollten unbedingt lesen, nur eben das „Richtige“, die kulturelle Moderne der Weimarer Republik zählte nicht dazu. Die Nazis hatten ihren eigenen Kanon, den sie mittels rabiater Zensurmaßnahmen durchsetzten. Mit den Bücherverbrennungen inszenierten sie, symbolisch erhöht, einen Akt der Reinigung, um die so genannte Volksgemeinschaft in ihrem Hass zu einen. Der Annahme, es handelte sich vor allem um jüdische Autoren, widersprach der Exilforscher Guy Stern. Unpolitische Juden standen auf keiner der Listen für die Bücherverbrennungen, ebenso wenig Zionisten. Gegen die Legenden, Goebbels allein habe die Bücherverbrennungen angezettelt oder es seien nur die Studenten gewesen, verwies Werner Tress auf die eng verzahnte Zusammenarbeit beider Ebenen. So gehörten den Ausschüssen zur Vorbereitung der Aktionen jeweils ein Schriftsteller, ein Professor und Studenten an, Bibliothekare des öffentlichen Dienstes erstellten die Listen, das Propagandaministerium genehmigte und finanzierte die Plakate. Ideen aus völkischer Bewegung, konservativer Revolution und faschistischer Politik, die ihre Vorgeschichte in der Weimarer Republik hatten, flossen ideologisch in dem Schlagwort des Kampfes gegen „Kulturbolschewismus“, zusammen, das sich ab 1929 durchsetzte. Eine gesetzliche Grundlage gab das „Schund- und Schmutzgesetz“ von 1926. Die nationalsozialistischen Studenten selbst betonten ihre Traditionslinie bis zum Wartburgfest von 1817, wo auch Bücher verbrannt wurden. Tatsächlich wendete sich die ideologischen Reinigungen gegen „alles Marxistische, Jüdische und Liberale“ – ein disparates Feld an literarischen und politischen Strömungen, die schwer zusammen zu denken sind. Für die Erinnerung an die Bücherverbrennung im Kalten Krieg war das ein offensichtliches Problem, wie Helmut Peitsch anhand der erbitterten Diskussionen im Londoner PEN-Klub nachwies. Stefanie Endlich vermittelte denselben Eindruck durch ihre Recherchen zur Gedenkkultur in Ost und West. Schon die Opfer der Bücherverbrennung, die Autoren selbst, hatten die ideologische Macht dieser Inszenierung allzu häufig verkannt, konstatierte Gerhard Bauer. Die Bücherverbrennung war nicht nur ein symbolischer Akt, vielen Autoren wurde durch den Entzug ihrer Publikationsmöglichkeiten tatsächlich die Lebensgrundlage genommen. Selbst nach dem Krieg sind die meisten Bücher nicht wieder aufgelegt worden, viele sind heute vergessen. Was Simone Barck zu der Frage veranlasste: „Sollte nicht mehr an die Bücher statt an die Verbrennung erinnert werden?“

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