
© J. Bergmann
Neuer Leiter der Volkshochschule Potsdam: Nicht nur für Flüchtlinge zuständig
Myrtan Xhyra leitet seit dem 1. März die Volkshochschule Potsdam. Geboren wurde er in Albanien, seine Frau ist Japanerin. Er hat einiges vor.
Stand:
Potsdam - Ein Zimmer mit Aussicht ist es nicht gerade, was Myrtan Xhyra am 1. März bezogen hat. Der neue Leiter der Volkshochschule (VHS) schaut in den nüchternen Innenhof. Wie ein sanfter Protest mutet es dann an, dass er die Jalousie herunter gelassen hat. Das passt zu seinem Motto, mit dem er sich den Aufgaben und Herausforderungen der VHS nähert: „Lösungen finden im Rahmen unserer Möglichkeiten“. Immer gleich fordern und meckern, zum Beispiel über die Höhe der Honorare, die die VHS den Dozenten zahlen kann, das will er nicht. Wahrgenommen hat er es natürlich. Aber ein harmonisches Miteinander mit der Stadt ist ihm wichtiger als überstürzt zu agieren. Und außerdem: „30 Euro Stundenhonorar, das ist bundesweit im Vergleich das Höchste. Nicht super, aber das Höchste.“ Und warum soll man sich über Erreichtes wie diese schrittweise Erhöhung bis 2017 nicht auch erst mal freuen können?
Vielleicht ist es das, was an Myrtan Xhyra zuerst auffällt. Eine Mischung aus Bestimmtheit, Realismus und Geduld. Vielleicht auch einem ungewöhnlichen Lebensweg geschuldet. Als diplomierter Lehrer aus Albanien nach München, um dort – „mein Abschluss war natürlich nicht anerkannt“ – noch einmal zu studieren, Geschichte, und zu promovieren. Er arbeitete nebenher an der VHS und blieb dabei, erst in Schleswig-Holstein, dann als Fachbereichsleiter in Goch, Nordrhein-Westfalen. Jetzt zog es ihn nach Potsdam. Die Ausschreibung der VHS-Leitung fand er interessant. Und schickte zwei Tage vor Ende der Frist seine Bewerbung los. 600 Kilometer weiter zu ziehen, einmal quer durch Deutschland, das war kein Problem. „Ich bin immer gern gereist, als es endlich möglich war. In Albanien war das schließlich bis zur Wende 1990 verboten“, sagt er.
Vorfreude auf Angebote für Familien in Potsdam
Nach Potsdam brachte der 40-Jährige seine Familie mit, seine Frau, Pianistin und Pädagogin, und die zweieinhalbjährigen Drillinge. Ab April gehen sie in die Kita. „Vielen Dank an den Kita-Tipp der Stadt“, sagt Xhyra und strahlt. Und beantwortet die Frage nach Hobbys und privaten Interessen augenzwinkernd mit „Windeln wechseln“. Derzeit zumindest. Aber er freue sich schon drauf, die vielen tollen Freizeitangebote, die Potsdam Familien bietet, auszuprobieren. Jetzt ist erst mal der anstrengende Umzug geschafft. „Deutsch geplant – ausländisch geworden“, sagt er und lässt seinen Humor durchblitzen. Bis zuletzt hatten die Handwerker zu tun. An seinem ersten Arbeitstag ging Xhyra in den Keller, um in den Kisten nach einem Bügeleisen zu suchen. Auch in der VHS ist Wochen nach Arbeitsbeginn noch manches provisorisch, noch steht der Name seiner Vorgängerin, Roswitha Voigtländer, auf dem Hinweisschild zum Büro. Kleinigkeiten, sagt Xhyra. Es gibt so viel Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel, seine ganzen Mitarbeiter, Fachbereichsleiter und Lehrkräfte, kennen zu lernen. Er selbst hat die Bereiche „Mensch und Gesellschaft“ und „Berufliche Bildung“ übernommen.
Durch seine persönlichen Erfahrungen bringe er gute Voraussetzungen mit, etwa für die Sprachvermittlung, sagte Potsdams Bildungsbeigeordnete Iris Jana Magdowski (CDU) bei seiner Ankunft. Das kann man so sehen, sagt Xhyra, vor allem was den Spracherwerb betrifft. Er weiß, wie es ist, eine Fremdsprache zu lernen, lernen zu müssen. Er weiß, dass jeder Flüchtling andere Voraussetzungen dafür mitbringt, einen anderen Bildungsstand. Dass es schwer ist, allen gerecht zu werden. In seiner Familie erlebt er, wie es im Kleinen funktionieren kann. Drei Sprachen sprechen sie dort, seine Muttersprache Albanisch, die seiner Frau, einer Japanerin, und Deutsch, die Sprache der neuen Heimat. Laut Studien können Kinder mit bis zu vier Sprachen gleichzeitig umgehen. Aber: Am liebsten wäre es ihm, wenn seine Herkunft gar nicht so eine große Rolle spielen würde. Wenn er einfach nur Herr Xhyra sein darf. „Bitte nicht so viel kategorisieren. Ich bin hier auch nicht nur für Flüchtlinge zuständig.“
Jeder soll sich das Angebot der VHS Potsdam leisten können
Er sieht die Volkshochschule als sozialen Lern- und Begegnungsort einer Stadt. Das Angebot soll sich jeder leisten können. Es ist dann natürlich ein Jonglieren mit Gebühren, Honoraren, Kosten. Neue Ideen sind gefragt. Die VHS muss flexibel bleiben. Weshalb freie Lehrkräfte so wichtig sind. Er will demnächst die Internetseite neu gestalten, moderner, zeitgemäßer, ansprechender. Weg vom Image Häkelkurs und Töpfern, wobei es in Potsdam ja nicht mal einen Töpferkurs gebe. Er lacht. Er könnte sich neue Kooperationen mit der Wissenschaftsetage vorstellen. Für die Industrie- und Handelskammer (IHK) will er Computerkurse anbieten. Er wünscht sich mehr Philosophie-Kurse, den Ausbau des „Philosophischen Diskurs“, den es ja schon gibt. „Die Nachfrage ist da.“ Und dann gibt es das Phänomen, dass Einsteigerkurse immer sehr gut besucht sind, die Aufbaukurse eher dünn. Es sei immer schade, wenn man interessierten Nutzern dann absagen muss, weil es sich für die VHS nicht rechnet.
Zurzeit ist er viel mit dem Notizblock unterwegs, vor allem um die die vielen Abkürzungen im VHS-Jargon zu lernen. „Die Deutschen erfinden für jede neue Tätigkeit ein neues Wort“, stöhnt er. Deshalb sei er ja auch ein deutscher Bürger mit Migrationshintergrund – ein Begriffsungetüm. Aber wohl immer noch besser als Ausländer, ein Wort, das ausgrenzt.
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