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Der zweite Anlauf von Freilandversuchen mit gentechnisch veränderten Kartoffeln in Golm
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Der zweite Anlauf von Freilandversuchen mit gentechnisch veränderten Kartoffeln in Golm Von Friedmar Tielker Der zweite Versuch der Forscher des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie die genveränderte Kartoffelsorte „Désirée“ freizusetzen läuft. Das Feld ist nun viermal größer als im vergangenen Jahr und es wurden fünfmal so viele gentechnisch veränderte Kartoffeln freigesetzt. Nebenan liegen noch die 150 Quadratmeter auf denen 320 Kartoffelpflanzen im Juni 2004 von Öko-Aktivisten zerstört wurden: Insgesamt ein Schaden von rund 250 000 Euro und über ein Jahr vergebliche Arbeit der Wissenschaftler. Einer von ihnen, der Biologe Dirk Büssis, geht die 1704 neuen Pflanzen nun jede Woche mit dem Zentimetermaß ab, misst die Sprosslänge und zählt die jeweilige Anzahl der Blätter. Solche Sorgfalt ist nicht nur bei der Forschung, sondern auch bei der Einhaltung des Gentechnikgesetzes gefragt. Seit der Novellierung des Gesetzes im vergangenen Jahr gilt es verschärfte Richtlinien einzuhalten, betont die Sprecherin des Instituts Ursula Roß-Stitt. Diesmal wurden zu den Versuchen keine Einsprüche von Seiten der Bürger erhoben. Was etwas verwundert, schließlich wurde, wie Roß-Stitt erinnert, die Diskussion im vergangenen Jahr recht heftig geführt. „Man kann die Versuche nur verstehen, wenn man die mendelschen Gesetze versteht“, lautet ihr Kommentar zu der Kritik. Die Kritiker wiederum fragen, ob die gentechnische Veränderung von Pflanzen nicht ein erheblich weiterer Eingriff ist, als die herkömmliche Kreuzung von Pflanzen. Damit die Öffentlichkeit sich ein Bild von der Arbeit in dem Golmer Institut machen kann, werden nun bis Oktober noch Feldführungen angeboten, die tiefere Einblicke ermöglichen (Anmeldungen Tel: 0331/567 82 75). „Qualifiziert mitreden? Komm ins Beet!“, wirbt ein Flyer des Instituts. Neben der wissenschaftlichen Seite der Versuche ist aber auch die Frage der politischen Interessen kompliziert: „Da schlagen zwei Herzen in der Brust der Politiker“, klagt Ursula Roß-Stitt. Einerseits setzt Brandenburg auf seine Stärke in der Landwirtschaft. Die Landesregierung fördert deshalb auch die modernen Biowissenschaften. Dem stehen aber ökologische Bedenken und verschärfte Gesetze gegenüber. „Das könnte dazu führen, dass wir nur noch absolut reine Grundlagenforschung betreiben können“, erklärt Ursula Roß-Stitt. Bislang wird im Prospekt des Institutes damit geworben, dass es sich bei der Grundlagenforschung nicht nur um reinen „Selbstzweck“, sondern um einen „Wirtschaftsfaktor“ handelt. Zahlreiche Patente sind angemeldet und zwei Firmen ausgelagert worden. In Golm betont man nun aber, dass es sich um reine Grundlagenforschung ohne wirtschaftliche Aspekte handelt. Ein ökonomisches Ziel der Versuche mit den Gen-Kartoffeln liegt dennoch nahe. Denn ein Anliegen ist die Veränderungen des Stärkegehalts der Kartoffeln. Was nicht nur für die Lebensmittelindustrie, sondern auch für Papier-, Kleberherstellung und ähnliche Produktionen interessant sein dürfte. Bis 2004 liefen acht Jahre lang die Freisetzungsversuche in Golm ungestört. „Anscheinende Gefahren“ sind nach Ansicht von Ross-Stitt erst im Zuge der Diskussion um die Gentechnikgesetze zur Sprache gekommen. Sie verweist auf eine Umfrage des Eurobarometer, wonach sich in Deutschland 30 Prozent der Menschen durch den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen in der Landwirtschaft verunsichert fühlen und 49 Prozent mehr darüber erfahren wollen. „Das Klima ist im Moment nicht so rosig“, fasst Ursula Roß-Stitt die öffentliche Meinung zur grünen Gentechnik zusammen. Die Golmer Wissenschaftler sind sich einig darüber, dass zeitgemäße Forschung an Pflanzen ohne Gentechnik nicht auskommt. So gelte es auch die Kartoffel als System von Genen zu verstehen, so der Biologe Dirk Büssis. In den Versuchen werde entweder ein Gen unterdrückt oder ein fremdes Gen eingesetzt, um Reaktionen und Aufbau der Pflanze zu testen. In den Freiland-Versuchen in Golm geht es in diesem Jahr um die Bestätigung von Ergebnissen, die bislang nur im Gewächshaus erbracht wurden. Ein anderes Ergebnis der Forscher: Kartoffeln, die durch erhöhte Dichte der Poren weniger licht- oder temperaturempfindlich sind. Grundlagenforschung. Aber auch dieses Ergebnis dürfte bei der landwirtschaftlichen Produktion auf Interesse stoßen.
Friedmar Tielker
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