Links und rechts der Langen Brücke: Nicht zu verordnen
Sabine Schicketanz über Potsdams fremdenfreundliche Politik – und den Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit
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Ein Potsdamer läuft mit einer Axt bewaffnet auf die Straße und bedroht eine Gruppe ausländischer Menschen. Er fühlte sich von den Afrikanern beim Fernsehen gestört. Nur ein paar Tage später macht Potsdam mit einem „Abschiebestopp“ Schlagzeilen. Die Bezeichnung ist zwar rechtlich nicht korrekt, trifft jedoch die Praxis: Anhand von Einzelfallprüfungen gewährt die Kommune Ausländern ein zumindest befristetes Aufenthaltsrecht. Damit handelt die Stadt gegen den Willen des Innenministers. Politisch also ist die Landeshauptstadt fremdenfreundlich – und im Alltag? Diskutiert wird die Problematik spätestens seit dem Fall Ermyas M. Am Ostersonntag war der Deutsch-Äthiopier bei einem Überfall lebensgefährlich verletzt worden. Danach hatte die Frage nach der Potsdamer Gesinnung bundesweit Bedeutung. Viele Ausländer schilderten ihre Begegnungen mit Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus in der Landeshauptstadt. Das hat aufgerüttelt – und zumindest zeitweilig das Bewusstsein geschärft. Tausende Potsdamer gingen für Ermyas M. auf die Straße, die Aktion „Potsdam bekennt Farbe“ wurde wiederbelebt, in den Straßenbahnen wurden Plakate gegen „Alltagsrassismus“ aufgehängt. Das waren wichtige Zeichen, deren Wirkung noch immer anhalten dürfte. Allerdings macht nicht zuletzt ein Vorfall wie der des Mannes mit der Axt deutlich, dass noch lange nicht genügend Zeichen gesetzt sind. Erst kürzlich wurde eine Hochzeitsgesellschaft im Schloss Marquardt angegriffen – und auch wenn die Polizei kein fremdenfeindliches Motiv sieht, so berichtete die Hochzeitsgesellschaft doch anderes. Regelmäßig tauchen Meldungen von „Hitlergruß“-Delikten und verfassungsfeindlichen Symbolen auf. Und ab Montag wird die rechte Szene wohl wieder in der Innenstadt präsent sein, denn dann wird der Überfall auf einen mutmaßlich rechtsextremen Jugendlichen verhandelt. So richtig und konsequent Potsdams Ausländerpolitik auch ist – sie lässt sich eben verordnen und an Paragrafen festmachen. Gegen latente Fremdenfeindlichkeit aber helfen Gesetze nur bedingt. Doch gerade ihr muss entgegen getreten werden.
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