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Muss auch manchmal enttäuschen. Kulturbeigeordnete Iris Jana Magdowski.

©  Manfred Thomas

ZUR PERSON: „Nichts ist schlimmer als der Status quo“

Iris Jana Magdowski über „Spar-Tsunami“, Jugendbefragung sowie Denkmalschutz und Lichter in der Schiffbauergasse

Stand:

Frau Magdowski, in Berlin sind alarmierende Stimmen zu hören, was die dortige Kulturszene betrifft. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, spricht von einem „Spar-Tsunami“, der drohe, zahlreiche Einrichtungen platt zu machen. Sind derartige Katastrophen auch für die Potsdamer Kulturlandschaft zu erwarten?

Ich habe mir zum Ziel gemacht, dass wir uns in der Kulturpolitik in einem ruhigen Fahrwasser bewegen. Das bedeutet eine Planungssicherheit für die Einrichtungen, einen realistischen Umgang mit den Ressourcen und eben nicht die Tsunami-Situation. Das bedeutet aber auch, dass ich die Einrichtungen, die sich große Hoffnungen gemacht hatten, enttäuschen musste, wenn es um größere Zuschüsse ging.

Welche Einrichtungen mussten Sie enttäuschen?

Das sind der Nikolaisaal, das Hans Otto Theater und die Kammerakademie. Aber beim Nikolaisaal und dem Hans Otto Theater ist es Konsens, auch in der Politik, dass sie Tariferhöhungen bekommen. Für den Nikolaisaal und die Musikfestspiele Sanssouci haben wir festgelegt, dass hier für schwierige Zeiten wieder Rücklagen gebildet werden können. Die vorhandenen mussten ja in den vergangenen Jahren weitgehend aufgebraucht werden. Und es sind keine Kürzungen geplant.

Und die Kammerakademie, die ja auch einen deutlichen Anstieg der Förderung gefordert hatte?

Nach dem derzeitigen Stand werden wir die in diesem Jahr erhöhten Zuschüsse nicht kürzen. Aber wir sehen auch keine Möglichkeiten, sie noch weiter zu erhöhen.

Noch immer aber sind die neuen mehrjährigen Zuwendungsvereinbarungen mit der Stadt, die eine Planungssicherheit gewährleisten, für die Kammerakademie, den Nikolaisaal und das Hans Otto Theater nicht unterschrieben. Hat das mit der Wirtschaftsprüfung von PricewaterhouseCoopers zu tun, die in den drei Einrichtungen stattgefunden hat?

Die Abschlussberichte bekommen wir erst im Januar. Aber ich bin schon nach der ersten Präsentation, die noch nicht in die Tiefe geht, angenehm überrascht gewesen. Es gab die Erkenntnis, dass in der Kultur mit dem Geld verantwortungsbewusst umgegangen wurde. Wir warten noch immer auf eine klare Position des Landes, wie es sich zu den geplanten Tariferhöhungen verhält. Was aber unsere Vertragspositionen angeht, möchte ich zumindest eine Absichtserklärung mit den Einrichtungen vereinbaren.

Wie beurteilen Sie die Forderungen, die in den vergangenen Monaten immer wieder aufgekommen sind, Geld bei der sogenannten Hochkultur einzusparen und dieses Geld dann der Jugendkultur in Potsdam zukommen zu lassen?

Da wird bei den Jugendlichen wollen zuerst einmal ernst genommen werden. Denen geht es weniger um Geld. Sie wollen eigene Räume haben und im Gespräch bleiben über bestimmte Bedürfnisse, die sie haben. Dafür habe ich Verständnis. Und nun gibt es ja auch den politischen Beschluss, dass Gelder für das Archiv in der Leipziger Straße bereitgestellt werden, damit der Spielbetrieb trotz der brandschutztechnischen Probleme aufrecht erhalten werden kann. Aber grundsätzlich halte ich die Diskussion Hochkultur gegen Jugendkultur für unzutreffend. Es darf keine Polarisierung, sondern es muss ein Miteinander und auch Zusammenwachsen geben. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass aus einem alternativen Theaterprojekt hervorragende Leute für etabliertes Theater hervorgehen könnten. Außerdem gilt es, die Bedürfnisse auch derjenigen Jugendlichen zu erfahren, die keine Forderungen an die Stadt gestellt haben, deren Meinung aber auch wichtig ist. Deshalb plane ich für das kommende Jahr eine Jugendbefragung.

In welcher Form soll diese Befragung stattfinden?

Das soll eine Jugendbefragung sein, die von Sachlichkeit geprägt ist. Da möchte ich alle Einrichtungen einbeziehen, die Jugendprogramme anbieten und überprüfen, ob die Jugendlichen diese kennen und dort auch hingehen. Dafür haben wir schon Partner gefunden, die selbst eine solche Befragung planten, so dass wir uns anschließen können und die Befragung die Stadt kein Geld kosten wird. Für mich ist eine solche Befragung kein Politikum, sondern Mittel für eine effektive Arbeit.

Ein Befragung, die dann auch sehr genau das Waschhaus und den Lindenpark unter die Lupe nehmen wird?

Nicht nur, denn es gibt Jugendorchester, im Bereich der Bildenden Kunst passiert viel, wie das Beispiel der Kunstschule im Rathaus Babelsberg zeigt. Da gehen ja auch sehr viele junge Leute hin. Die haben auch eine Berechtigung, sich zu artikulieren. Als Vorbild soll dabei eine Jugendbefragung der Kulturhauptstadt Linz aus dem Jahr 2006 dienen, die ganz spannende Ergebnisse erbracht hat.

Was heißt das dann konkret für die so befragten Einrichtungen?

Dass sie sich mit den Ergebnissen ernsthaft auseinandersetzen, dazu Stellung nehmen, ihre Marketingaktivitäten entsprechend optimieren und wenn ein Angebot überhaupt nicht funktioniert, das auch hinterfragen. Nichts ist schlimmer als immer nur den Status quo zu pflegen.

Gerade auch im Zusammenhang mit der Jugendkultur steht der Standort Schiffbauergasse seit Monaten in der Kritik. Es heißt unter anderem, die Jugend fühlt sich seit der Sanierung dort nicht mehr wohl.

Zunächst sehe ich die Schiffbauergasse mit den vielen Möglichkeiten als ein Geschenk, das der Wendesituation geschuldet ist. Denn sonst hätte eine Stadt in unserer Größenordnung nicht so viel Geld bekommen. Aber dann kam dieser denkmalpflegerische Eifer, dass alles bestens geputzt sein muss und damit ist ein gewisses Maß an Sterilität verbunden. Das belastet den Standort. Die Frage ist jetzt, wie man damit umgeht. Derzeit werden Vorschläge geprüft und wir erwarten im nächsten halben Jahr Ergebnisse, die wir auch umsetzen wollen.

Soll heißen, die Schiffbauergasse wird wieder bunter?

Wenn ich einen Kulturstandort habe, muss ich mich fragen, was Priorität hat. Die Schiffbauergasse ist keine Andachtstätte für den Denkmalschutz, sondern soll ein buntes Kulturleben in historischen Gemäuern ermöglichen. Dazu gehören gut lesbare Wegweiser und, wenn gewünscht, auch mal temporäre großformatige Veranstaltungshinweise.

Solche Diskussionen gibt es immer noch?

Nicht nur solche. Ich habe gefragt, warum wir die Schiffbauergasse nicht nachts so beleuchten können, dass man schon von weit her sieht, das hier der Kulturstandort ist. Da wurde mir gesagt, dass dadurch empfindliche Messgeräte von Forschungsinstituten irritiert werden können. Da muss die Diskussion noch einmal aufgenommen werden. Vor kurzem hatten wir Kunststudenten aus Münster zu Gast, die wollten auch das Fluxus-Museum in der Schiffbauergasse besuchen, haben es aber erst nach einer halben Stunde gefunden.

Abgesehen von solchen Problemen, wie schätzen Sie allgemein das kulturelle Angebot in Potsdam ein?

Ich bin von Potsdam sehr positiv überrascht, weil hier zwei Dinge zusammenkommen. Zum einen gibt es ein sehr gutes Kulturangebot und zum anderen stößt das auch auf Resonanz bei der Bevölkerung. Das ist nicht überall so.

Bedeutet „sehr gut“ angemessen oder doch ein Überangebot?

Wir sind ja auch eine Stadt des Tourismus. Durch die Veranstaltungen seitens der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten haben wir ein Angebot, das wir uns als Stadt so gar nicht leisten könnten. Ein Überangebot kann es gar nicht sein, weil es teilweise auch ein touristisches Angebot ist. Das ist eines unserer wirtschaftlichen Standbeine.

Das heißt also, alles ist gut so wie es gerade ist?

Nein, so meine ich das natürlich nicht. Ich wünsche mir beispielsweise gemeinsam mit der Fachbereichsleiterin Dr.Seemann im Kulturamt für die eine oder andere Aufgabe entsprechendes Fachpersonal, dass dann zielorientiert Kontakt mit den vielen Kulturinitiativen halten und initiativ werden kann. Die kulturpolitischen Konzepte der Stadt fordern den aktivierenden Staat. Wie soll man Schätze bergen, wenn man gar nicht die Zeit hat, sie zu suchen. Kultur in der Stadt, auch wenn sie privat organisiert ist, ist Kultur der Stadt. Vielen Kulturakteure, die gar kein Geld von der Stadt erhalten, wären z.b. froh, wenn wir sie im Kulturmarketing unterstützen und dazu gemeinsame Ideen entwickeln könnten.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Iris Jana Magdowski, geb. 1952, ist Beigeordnete für Kultur, Bildung und Sport.

Iris Jana Magdowski studierte Rechts- und Staatswissenschaften und Philosophie an den Universitäten Marburg und Bochum. Von 1984 bis 1992 war sie Beigeordnete für Kultur, Personal und Organisation der Stadt Bielefeld, anschließend Beigeordnete für Kultur-und Hochschulangelegenheiten der Stadt Duisburg. Von 1997 bis 2005 war Iris Jana Magdowski hauptamtliche Bürgermeisterin für Kultur, Bildung und Medien der Landeshauptstadt Stuttgart. Von 2005 bis 2009 war sie Rechtsanwältin in Bielefeld.

Seit dem 1. Juli ist Iris Jana Magdowski Beigeordnete für Kultur, Bildung und Sport in Potsdam. Sie ist verheiratet und lebt in Potsdam.

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